Was haben eine österreichische Kaiserin und eine Tänzerin aus dem Moulin Rouge gemeinsam? Na klar: Gaaaanz viel Karin!!!

Karin Seyfried MusicalDie Mütze tief ins Gesicht gezogen sehen mich zwei große Augen fragend an. Karin Seyfried eilt die Treppenstufen von ihrer Garderobe Richtung Theaterpforte. Gerade noch erkannt! Fast wäre sie an mir vorbeigerannt. Sieht sie doch so ganz anders aus als „Kaiserin Elisabeth“ auf der Bühne im Jahre 2006, damals in Stuttgart am Apollo Theater. Viel ist seitdem passiert. Sie war unter anderem in „Gaudi“, „Mozart“ oder „Footloose“ zu sehen. Von Dezember bis Januar kam sie wieder zu einem Heimspiel zurück. „Moulin Rouge Story“ im Stuttgarter alten Schauspielhaus wurde über einen Monat in einer Uraufführung gespielt und der Erfolg schlug ein wie eine Bombe. Ja, sie war wieder da und wurde wie eine Kaiserin empfangen. Als Isabelle Fontillac verkörperte sie die lebens- und liebeshungrige Gräfin, die alle Erziehung über Bord wirft und ein Leben als Tänzerin im weltberühmten Moulin Rouge dem Luxus und Adel vorzieht. MFJ gelang es noch zu Ende der Spielzeit die liebenswerte und charmante Österreicherin für ein Interview zu gewinnen und freut sich, den Lesern dieses präsentieren zu dürfen.

Erst einmal danke Karin, dass es so spontan geklappt hat, dass wir miteinander über Moulin Rouge plaudern können. Was sagst Du denn zu dem Stück Moulin Rouge Story?

Die Meinungen gehen weit auseinander. Aber wenn ich von Zuschauern höre, dass sie sogar ein Tränchen unterdrückt haben, dann denke ich mir, okay, dann habe ich meine Sache wohl gut gemacht. Das Publikum spricht natürlich unterschiedlich auf unser Stück an, aber größtenteils ist unser Feedback : „Wow, was für eine tolle Show“; „Ich hatte richtig viel Spaß“;“Du hast mich so mitgerissen in deiner Rolle“; „Tolle Ohrwürmer“; „Diese bunten Kostümewaren ja spitze“; „Also die Hauptrollen wurden ja wirklich gut besetzt“ Man muss sagen, MR ist sehr aufwändig produziert worden. Das Theater hat sehr viel Geld in die Inszenierung investiert. Ich glaube uns ist da etwas wirklich Gutes gelungen.

Wie war das denn mit Deiner Rolle, der Isabelle, als Du sie bekommen hast?

Ich bin eigentlich „nur“ eingesprungen. Es war nicht ursprünglich geplant, dass ich die Rolle spielen darf. Aber es war toll, denn gerade beim Komponisten und Autor habe ich später folgende Geschichte gehört:  sie sagten, sie hätten erst einmal gar nicht an mich gedacht, dass ich Isabelle spielen könnte.  Als sie dann hörten, dass ich einspringe, haben sie gleich so „Ja natürlich! Super!“ gerufen. Darüber habe ich mich dann sehr gefreut.  Man weiß das ja nie, wie die Reaktionen sind, gerade, wenn man nicht die erste Wahl war. Man ist sich selbst unsicher, ob sie mit der Entscheidung letztlich glücklich sein werden oder weniger. Aber die Beiden waren total happy und dann ist mir ein großer Stein vom Herzen gefallen.

Also bist Du auch glücklich mit der Entscheidung, zumal Du wieder nach Stuttgart zurück gekommen bist?

Karin Seyfried MusicalOh ja, es ist schön! Ich fühle mich hier wohl. Aber ich muss dazu sagen, ich habe noch nie in der Stadt gewohnt. Damals, als ich Elisabeth gespielt habe, lebte ich in Plieningen. Es war sehr schön dort, vor allem auch ruhig. Hier bin ich vielmehr involviert. Wir gehen regelmäßig aus, wir machen Spieleabende… es gefällt mir sehr, sehr gut. Ich mag Stuttgart, die Stadt, generell sehr, sehr gerne, auch die Leute und ich bin eben total happy wieder hier zu sein. Ich hab mir sogar jetzt mal gedacht bzw. gehofft, ob mich vielleicht der Intendant wieder beschäftigen wird. Dann hab ich aber gehört, dass er nach Salzburg geht da war ich dann bisschen enttäuscht, aber okay. Aber ich habe den Nachfolger schon gesehen und der war auch ganz glücklich über mich, also warten wir einfach mal ab. Wer weiß?!

MR der Film wurde erstmals 1928 ausgestrahlt, wobei das Buch erst seit 1950 existiert…

Das wusste ich gar nicht!!!

Okay! Ja, und richtig bekannt wurde MR dennoch für die heutige Zeit erst seit 2001 mit der Verfilmung von Baz Luhmann mit Nicole Kidmann und Ewan Mac Gregor in den Hauptrollen…

Oh!!! Das finde ich ja gar nicht!!! Oder meinst Du jetzt so generell und weltweit?

Generell und weltweit…,denn  ich denke, Moulin Rouge ist etwas in der Versenkung verschwunden und den Leuten, gerade den Jüngeren, ist MR eher durch den Film ein Begriff geworden. Von daher, Du hast es bereits angedeutet, Du kanntest Moulin Rouge schon vorher. Eher literarisch gesehen oder aus der filmischen Sparte?

Ja klar kannte ich das Moulin Rouge. Ich war auch in Paris und habe mir das angesehen.  Ich habe mich natürlich, als ich dieses Jahr damit angefangen habe, verstärkt damit auseinander gesetzt, indem ich darüber gelesen habe. Wir haben auch Material bekommen und kenne natürlich die ein oder andere Verfilmung, wo das aufgegriffen wurde. Moulin Rouge von Baz Luhmann da muss ich ehrlich sagen, ich war jetzt nicht so der Fan davon. Nun, ich fand es eine super tolle Idee und der Film  wurde gut gemacht, aber die Darsteller fand ich leider nicht überzeugend. Ich mag beide Schauspieler, Nicole Kidman sowie Ewan Mac Gregor sehr gerne, aber eben in anderen Filmen. Ich dachte mir dabei nur, es gibt doch so viele tolle Sänger die auch schauspielern können und trotzdem bekannt und berühmt sind, warum haben sie nicht Jemanden von da genommen. Ich dachte mir immer wieder so „tja, wenn die jetzt noch singen könnten wäre das natürlich noch schön?“ Wie gesagt, sie haben es sehr schön gespielt und es war sehr lieb und schön, aber ich  denke mir, es gibt Leute, die können das, die haben das gelernt. Warum nimmt man dann nicht Diese? 

Am Ende des ersten Aktes stehst Du „oben ohne“ auf der Bühne. Wie war das für Dich? Kick oder eher ein Konflikt, den Du mit Dir auszutragen hattest?

Karin Seyfried MusicalStimmt. Ja. Ich habe mich schon sehr damit auseinander gesetzt.  Ja und so kam es, dass ich die erste war, die sich „oben-ohne“ gezeigt hat und die Anderen dann gefolgt sind. Es war nicht von Anfang an so geplant, dass ich mich nackt zeige. Wir haben das dann so gesehen, dass es die Maske ist, die sie abnimmt für ihn, Arséne und dass es dann sozusagen passiert – gleichzeitig.  Wir wollten keinesfalls, dass daraus so ein „großes Ding“ wird. Ich glaube, wir haben es sehr „tasteful“ hinbekommen, dass es nicht zu billig und zu „oh Gott! Was ist das jetzt!“ wird.  Das hoffe es ist so. Ohhh, aber das war sooo hart, es war eine Katastrophe!  Es war auch eine der ersten Fragen, die man mir gestellt hat, ob ich sowas machen müsste und ob ich sowas machen würde. Zu diesem Zeitpunkt habe ich schon sehr darüber nachdenken müssen. Es war dann letztlich aber auch meine Mutter, die mir da sehr zugeraten hat. Sie hat immer gesagt „Karin, Du siehst super aus!  Du hast jetzt nicht irgendwie besonders viel Oberweite und das ist ja auch das, was normalerweise so im Moulin Rouge, im Lido normal ist. Ich muss auch sagen, die Mädls, die viel Brüste haben sagen immer wieder sowas wie „Gott, damit will ich sicher nicht rumtanzen und wippen, dann fliegt alles hin und her… das ist katastrophal!“ Ja! Und irgendwann einmal, mich musste mich ja sehr, sehr schnell entscheiden, was ich nun machen wollte, kam es so. Ich hatte mich in zwei Tagen entschieden, war drei Tage später hier und habe dann gleich zu proben begonnen. Das war dann schon etwas, wo ich sehr an mir knappern musste, auch überhaupt, so freizügig zu sein. Ich meine, ich war früher Tänzerin, hatte demzufolge sehr, sehr wenig an, aber noch nie so wenig. Hinzukommt, dass es schon lange her ist, dass ich soviel trainiert habe. Ich gebe zu, ich habe in den letzten Monaten sowas von wieder abgenommen, trainiert und gemacht und versucht meinen Körper irgendwie wieder in eine Form zu bringen… Ich habe die letzten Jahre ja „nur“ Elisabeth, Mozart, Jekyll & Hyde, Singing in the rain … gemacht. Ab Elisabeth habe ich nicht mehr trainiert und habe demensprechend dann etwas mehr zugenommen. Aber um nochmal auf die Ausgangsfrage zurück zu kommen. Meine Kollegen haben mir dann auch angeboten, dass sie sich ausziehen – meine Männer, mit mir splitter faser nackt???… ich hab dann nur gesagt, um Gottes Willen, das nicht auch noch! Das wird dann noch größer und schlimmer.  Es war dann so, dass ich es zum ersten Mal alleine mit dem Choreografen geübt habe. Ich kenne ihn schon sehr lange. Aber – es war trotzdem schlimm!  Ich war so, total… wie soll ich sagen OH GOTT!!!  Schau nicht, schau weg!!! Ich habe mir dann aber ein Date gesetzt, wo wir einen Durchlauf u. a. mit Kostümen hatten direkt auf der Bühne und da dachte ich mir eben, an dem und dem Tag muss es passieren, einfach um die Hemmschwelle zu überschreiten.  Ich habe dann auch zu allen gesagt, dass sie mich ja nicht ansprechen sollen  auch danach nicht…. Ja… und so war es auch.  Danach habe ich es geschafft und mit jedem Mal wurde es besser. Das muss ich ehrlich sagen. Und jetzt ist das schon normal. Danach kommt meine Garderobiere und gibt mir etwas zum Anziehen und das ist okay. Meine Familie hat natürlich auch  gesagt, dass es „tasteful“ aussieht und  dass alles in Ordnung ist. Ja!

Also hast Du sozusagen etwas Neues ausprobiert?

Ja so kann man es sagen, dass ich eine neue Grenze überschritten habe. Auf jeden Fall. Ich hätte nicht, gedacht, dass ich das jemals machen würde.

Um nochmal kurz auf die Filme zurück zu kommen. Hast Du Dich denn auch von der Rolle der Isabelle etwas inspirieren lassen?

Karin Seyfried MusicalNein gar nicht. Ich habe mir auch so kurz vorher die Filme gar nicht angesehen. Ich habe sehr viel mit dem Autor gesprochen, der oft am Theater war, ebenso mit dem Regisseur und „meinen Männern“- die in mich verliebt sind, sein werden, waren… was auch immer, mit ihnen habe ich sehr viel diskutiert. Ich habe Einiges nicht verstanden, warum der eine nun in der Situation beispielsweise genau so reagiert. Der andere hat dann wieder nicht  verstanden, warum Ich das so mache, wo ich dann gemeint habe, dass es in  meinem Leben schon mal so war. Also wir haben irre viel geredet, diskutiert und gemacht und so ist Isabelle eigentlich dann entstanden.

Es steckt natürlich sehr, sehr viel Karin in der Rolle, aber das versuche ich immer mit meinen Rollen. Bei Sachen, die ich nicht verstehe kann, die muss ich mir irgendwie erarbeiten und es einfach versuchen. Über meine Grenzen zu gehen, das würde ich vielleicht hier und da nicht machen, aber das ist oft einfach so. Langsam entwickelte es sich auf der Bühne und es wurde von Mal zu Mal in den Proben mehr und mehr. Ja so ist Isabelle eigentlich entstanden.

Wie groß war denn Dein persönlicher Spielraum bei dem Stück. Du sagst, Du hast es Dir selbst erarbeitet, gab es dennoch Vorgaben?

Wie gesagt, wir haben viel darüber geredet. Es war lustig, denn der Regisseur meinte einmal zu mir, er sähe mich so in der Fortsetzung von „42nd Street“, das Stück, das ich auch in Stuttgart vor „Elisabeth“ gemacht hatte. Im weitesten Sinne des Worte, auch vom Alter her, denn Isabelle ist ja um einiges älter. Sie hat auch von jungen Jahren an getanzt, Balletttraining gehabt. Es war also schon immer dieser Drang da, dass sie das machen möchte. Bei Peggy Sawyer war es genau das Gleiche. Und am Ende schafft sie es dann. Das war der Anfang, der mich da hin gebracht hat. Dann kam aber bei Isabelle hinzu, dass ihr gesagt wurde, sie sei die junge Gräfin, die nicht das junge Mädchen spielen kann, eine gewisse Reife sollte sie schon haben. Die vergangenen Jahre habe ich halt auch nur die jungen Mädls gespielt. Was sich daher jetzt interessant gestaltete, war, dass ich eine junge Frau spiele, so alt, wie ich selbst auch bin.  Dass ich auch eine gewisse Ruhe und Eleganz sowie  Souveränität zu geben hätte,  das war ziemlich spannend. Das ist eine sehr, sehr schöne Erfahrung.

Für Dich also der richtige Zeitpunkt?

Karin Seyfried MusicalJa, das kann man so sagen. Ich bin also sehr dankbar, dass das Schicksal es wohl an dieser Stelle sehr gut mit mir gemeint hat und dass gerade  ICH angerufen wurde, gefragt wurde und nun  diese Rolle zu spielen darf. Ich erfahre im Moment sehr, sehr viel über mich selbst. Es läuft sehr gut. Ja und ich muss sagen, es sind ganz, ganz tolle Kollegen, mit denen ich hier spiele, schöne Partner und das finde ich echt toll ja und natürlich eine schöne Musik.

Nun abschließend die Frage: Wie geht es mit Karin Seyfried weiter? Wie viel Wahrheit steckt darin, dass Du eine Bühnenpause machen willst und zum Film wechselst?

Gut, das habe ich aber schon immer gemacht. Ich habe, auch als ich in Deutschland war, in Österreich einen Film gedreht und ein bisschen Pause gemacht. Es ist nicht so, dass ich eine Pause mache, ich möchte einfach mal wieder einen Film drehen. Ich möchte nach Hause gehen, ich ziehe jetzt wieder nach Wien zurück und im Beruf ich bin schon seit 20 Jahren dabei. Irgendwie brauche ich jetzt im Moment das Gefühl von Familie und Ruhe gestärkt zu werden.  Also in diesem Sinne, eine Bühnenpause mache ich nicht, ich strecke einfach die Fühler in andere Richtungen aus. Damals habe ich in Wien ja schon viel mit Film oder Fernsehen gemacht , egal ob Rollen, Synchronsprecherin und ähnliche Sachen. Diese Blockbuster mit acht Shows in der Woche und das über ein Jahr, das hat schon sehr, sehr viel Energie genommen. Gerade in den letzten eineinhalb Jahren habe ich eher die kürzeren Sachen gemacht, wobei das aber auch wieder anstrengend ist, weil  die Engagements sind  kurz, nur drei Monateoder so, das bedeutet, dass man währenddessen schon wieder Auditions für andere Sachen machen muss. Das heißt, man fährt dauernd hin und her  und versucht irgendwelche Kleinigkeiten zu kriegen. Das ist auch wieder anstrengend. Ich freue mich daher auf ein paar Monate, wo ich ein bisschen zur Ruhe kommen kann, das wäre ideal, aber wie gesagt, man soll nie NIE sagen. Ich bin ja jetzt nach Wien gezogen. Zehn Tage später kam der Anruf für Moulin Rouge. Ich war sozusagen noch am Auspacken meiner Kisten… es stehen noch einige Kisten da, die noch nicht ausgepackt wurden….

Liebe Karin, ich danke Dir für das Gespräch und hoffe, Dich bald wieder irgendwo zu sehen und zu hören. Alles Liebe!

Danke für das nette Interview, es hat mir viel Spaß gemacht.

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