Die West Side Story mit Musik von Leonard Bernstein und Texten von Stephen Sondheim (Idee Jerome Robbins, Buch Arthur Laurents) ist so gut wie jedem ein Begriff; auf zahlreichen Musicalbühnen aufgeführt, in der Schule im Englischunterricht durchgenommen, oder bei Musicalgalas Auszüge davon gehört – irgendwo sind die meisten sicherlich schon in Kontakt mit diesem Musical gekommen. Nun wird es in diesem Jahr als Open Air auf dem Magdeburger Domplatz aufgeführt.
Die Geschichte der West Side Story lehnt sich an Romeo und Julia an, ist sozusagen die modernere Fassung davon. Es gibt in New York zwei verfeindete Banden, die Jets, bestehend aus Amerikanern der nicht so hohen Klasse, lebend in Slums, mit ihrem Anführer Riff und die Sharks, eingewanderte Puerto-Ricaner, die in Amerika auf ein besseres Leben hoffen, deren Gangleader Bernardo ist. Es kommt auf der Straße zu Auseinandersetzungen, die von Officer Krupke abgewendet werden. Daraufhin soll ein Kampf zwischen den Banden stattfinden; dazu überredet Riff Tony, der einmal zu den Jets gehörte, noch einmal dabei zu sein. Bei einer abendlichen Tanzveranstaltung kommt es dann zu weiteren Problemen, da sich Tony und Maria ineinander verlieben, was Bernardo nicht recht ist. Es soll einen Mann-zu-Mann-Kampf unter der Autobahnbrücke geben, Tony versucht dies aber zu verhindern, was ihm aber nicht gelingt. Stattdessen artet es aus, es kommen Messer mit ins Spiel und Bernardo tötet Riff. Daraufhin ersticht Tony Bernardo, was aber keine Absicht war. Maria ist über die Vorfälle entsetzt und zuerst sauer auf Tony, bis dieser ihr klar machen kann, dass er nicht vor hatte, Bernardo zu töten. Anita, die Freundin von Bernardo, versucht Maria davon zu überzeugen, dass Tony nicht der Richtige für sie ist („A Boy Like That/I Have A Love“), aber Maria hält an ihrer Liebe fest. Durch Missverständnisse endet es ähnlich wie bei Romeo und Julia: Tony stirbt in den Armen von Maria. Das Gute daran: Beide Gruppen lernen daraus, dass es sich nicht lohnt, Menschenleben zu opfern.
Unter der Regie von Gil Mehmert und der musikalischen Leitung von Generalmusikdirektor Kimbo Ishii ist dem Theater Magdeburg wieder eine großartige Inszenierung gelungen. Auf der Bühne findet man links die Seite der Jets mit ihrem Haus und auf der rechten Seite das durch ein offene Treppe mit tropischen Pflanzen und Lichterketten südländisch wirkende Haus der Sharks mit den typisch schwarzen Treppen außen. In der Mitte befindet sich Doc’s Drugstore, der auch auf dem Dach bespielbar ist und durch menschliche Kraft von ein paar starken Männern und einem Hubwagen gedreht werden kann, so dass der Brautladen, in dem Maria und Anita arbeiten, erscheint. Seitlich dieser beiden Kulissen zeigt sich die Liebe zum Detail: es wurden Toiletten eingebaut, die an Toiletten an Tankstellen bei uns erinnern. Die Freilichtbühne macht es möglich, dass man Sachen einsetzten kann, die im Theater nicht möglich sind: Hier kommen große, alte Autos und ein typisches amerikanisches Motorrad für den Officer wunderbar zum Einsatz. (Bühne: Jens Kilian)
Bei der Besetzung fand man in dem gebürtigen Schweden Anton Zetterholm einen soliden Tony, dem man die Rolle abnimmt und dem man auch glaubt, dass er die Jets verlassen hatte, da er durch sein Spiel und seiner Gestalt einfach weicher als der Rest der Gang wirkt. Maria wird von der österreichisch-schweizerische Darstellerin Iréna Flury gespielt, lebhaft und gesanglich voll überzeugend (besonders bei „I feel pretty“) durchlebt sie sämtliche Gefühlslagen, von der wundervoll Frischverliebten, über die verzweifelte Schwester bis hin zu der Frau, die damit leben muss, dass sowohl ihr Bruder, als auch ihr Geliebter sterben mussten. Riff, den Anführer der Jets, verkörpert Markus Schneider so, wie man sich einen Anführer vorstellt: laut und angriffslustig. Aber er versucht auch, dass seine Gang ruhig bleibt und nicht vorschnell handelt, sich nicht zu schnell provozieren lässt („Cool“). Bernardo, Marias Bruder und Freund von Anita, ist Sascha Luder. Auch er vermittelt dem Publikum glaubhaft das Lateinamerikanische.
Andrea Sánchez del Solar aus Peru spielt Anita. Eine sehr schöne Besetzung, optisch perfekt, da sie den lateinamerikanischen Typen verkörpert – so stellt man sich Puerto-Ricanerinnen vor. Auch gesanglich überzeugt sie auf ganzer Strecke. Insgesamt kommt der südländische Flair der Puerto-Ricaner und deren Lebensweise in dem Stück sehr gut rüber, aber ebenfalls auch das gegenteilige Amerikanische.
Die Tanzszenen sind so, wie man sie aus dem Stück kennt, teilweise sehr lang, aber zugleich sehr schön anzuschauen (Choreografie Jonathan Huor) und werden dadurch, trotz ihrer Länge, nicht langweilig. Besonders hervorzuheben ist an dieser Stelle Daniel Ojeda (Diesel), der aus der Gruppe heraussticht und mit seinem ausdrucksstarken Tanz begeistert. Eine sehr schöne, lustige Szene ist das Lied „Gee, Officer Krupke“, in dem drei der Jets mit Hilfe von Mülltonnen Figuren darstellen.
Ein Höhepunkt des Stückes ist sicherlich „Tonight“, in dem sowohl Maria, Tony als auch die Jets und Sharks singen.
In Magdeburg kann man mal wieder eine sehr schöne Produktion auf dem Domplatz erleben. Noch bis zum 09.07. hat man dazu die Gelegenheit. Im nächsten Jahr kann man sich schon einmal auf „Jesus Christ Superstar“ freuen.
Infos und Karten gibt es HIER. Am 04., 05. und 06. Juli wird Philipp Büttner für Anton Zetterholm als Tony einspringen. Das Publikum darf gespannt sein, auch diesen großartigen Musicaldarsteller in dieser Rolle erleben zu dürfen!
Fotos: Andreas Lander