„Evita“ überzeugt am Staatstheater Darmstadt mit Eve Rades als Evita und Dominik Hees in der Rolle des Che

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Am 15.10. letzten Jahres feierte am Staatstheater Darmstadt das Stück „Evita“ von Andrew Lloyd Webber Premiere. Den meisten Lesern wird die Geschichte um Eva Duarte (Eve Rades), später durch Heirat Peron, ein Begriff sein. Eva lebt auf dem Land, möchte aber in die Großstadt – durch den Tangosänger Magaldi (Tim Hüning) bekommt sie, damals erst 15 Jahre alt, die Gelegenheit, in dem sie ihn bittet, sie mit sich nach Buenos Aires zu nehmen – sie möchte dort als Schauspielerin Erfolg haben. Dieser legt keinen großen Wert auf ihre Begleitung, war sie für ihn doch eher eine Unterhaltung für sein Gastspiel, sie aber ist, besonders auffällig unter der Regie von  Erik Petersen, hartnäckig und bekommt so doch ihren Willen. In Buenos Aires lernt sie das andere Leben kennen, so geht ihr Magaldi fremd – der Anfang davon, dass auch Eva sich die Männer zu Nutzen macht. Sehr schön dargestellt, wie sie sich durch die Männerbetten schläft: Ein Bühnenteil kommt von unten hochgefahren, welches mehrere Zimmer nebeneinander darstellt und sie singt jeweils eine Strophe im Zimmer bzw. Bett des jeweiligen Herren. Bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung lernt sie, mittlerweile gefragtes Model und bekannt durch Film und Radio, den Offizier Juan Peron (Carl van Wegberg)  kennen, der eine militärische und politische Karriere anstrebt. Bei dieser Szene spürt man sehr genau die Anziehungskraft, die beide miteinander verbindet, sowohl die körperliche, als auch die gesellschaftliche: Beide können sich gegenseitig nützlich sein bei ihren weiteren Plänen. Peron verlässt seine erste Frau für sie und Eva lässt ihre Schauspielkarriere ruhen, um selber in der Politik aktiv zu werden und sich für die Arbeiter und Frauen einzusetzen. Im Radio hält sie populistische Reden, aber offizielle Ämter darf Evita nicht einnehmen, dafür ist sie noch immer als eine aus dem vierten Stand bekannt. So gründet sie die „Fundación Eva Perón“, eine Stiftung, bei der allerdings die Spenden auch mal so „verschwinden“ und nicht ihrer eigentlichen Bestimmung zugutekommen.

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Bei den Offizieren und der reichen Elite des Landes ist Evita nicht gut angesehen, keiner möchte sie in den Kreisen haben, in denen sie nun verkehrt. Das Volk allerdings liebt Evita, feiert sie wie eine Heilige und das alles hilft Juan Peron bei seinem Antritt um die Präsidentschaft Argentiniens. Sie reist mit der „Regenbogen-Tour“ durch Europa, um für die Regierung ihres Mannes zu werben und wird u. a. in Italien und Spanien empfangen. England gewährt ihr ein Treffen, allerdings nicht im Buckingham Palace, was Evita gar nicht passt. Dann kommt Evitas Krankheit, die sich immer mehr bemerkbar macht. Peron macht sich Sorgen um sie und ahnt, dass sie nicht mehr lange zu leben hat; sie aber ist noch weiterhin politisch motiviert und merkt erst spät,  besser gesagt: zu spät, dass es nicht mehr geht und entsagt nun  allen Ämtern, obwohl sie eigentlich für die Vizepräsidentschaft kandidieren wollte. Sie stirbt mit nur 33 Jahren in Buenos Aires.

Die Inszenierung des Staatstheaters Darmstadt ist gut gelungen. Dominik Hees führt als Che Guevara, marxistischer Revolutionär und Guerillaführer, erzählend durch das Stück. Durch seine Vielseitigkeit kann er das Publikum begeistern: Mal aufständisch, mal mit ganz sanften und ruhigen Tönen mit eigener Begleitung an der Gitarre bei „Jung schön und geliebt“ kann er voll und ganz überzeugen. Er ist die meiste Zeit auf der Bühne präsent, lockert das Stück auf und ist ein Sympathieträger, über den das Publikum nach der Show auch nur lobende Wort findet.

Eve Rades in der Titelrolle zeigt gute schauspielerische Leistung, zeichnet einen Wandel von dem jungen Mädchen mit der Sehnsucht nach der Großstadt über die politisch sehr engagierte Frau hinter Peron bis hin zu der zerbrechlichen Frau, die einsieht, dass sie sich ihre Kraft besser  hätte aufteilen müssen, glaubhaft. Besonders gelungen ist die Szene des Liedes „Jung schön und geliebt“, wo sie vor einem Sternenhimmel im Nebel auf einer Spiegelfläche steht (Bühne: Dirk Hofacker). Stimmlich ist sie leider an manchen Stellen, besonders im ersten Akt, sehr schlecht zu verstehen und etwas grell.
Sehr schön ist im Übrigen das Lied „Denn das Böse regiert die Welt“ umgesetzt: Evita und Che verfolgen und blenden sich gegenseitig mit Scheinwerfern.

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Carl van Wegberg ist stimmlich und schauspielerisch souverän in der Rolle des Peron. Auffällig gut herausgearbeitet sind die Gefühle zu Evita, sei es beim ersten Kennenlernen oder zum Schluss, wo er ihr Ende kommen sieht. Evita ist zu dem Zeitpunkt noch immer mehr an der Politik interessiert, als an ihrer eigenen Gesundheit, während Peron schon realisiert hat, dass es zu Ende geht und man merkt ihm diesen Schmerz vor dem baldigen Verlust sehr genau an. (Dramaturgie: Catharina von Bülow)
Tim Hüning stellt den Macho und zum dahinschmelzenden Tangosänger Magaldi da, ebenfalls eine gute Leistung. Stimmlich kann er mit dem bekannten Lied “ Diese Nacht ist sternenklar“ überzeugen.

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Der Chor ist groß, insgesamt stehen manchmal bis zu fünfzig Personen auf der Bühne, was einen imposanten Eindruck hinterlässt (zum Beispiel bei „Spendengelder fließen“ oder der „Regenbogen-Tour“). Oftmals hält sich das Orchester (musikalische Leitung: Michael Nündel) zurück, was aber gut zu der Inszenierung passt. Gespart wurde etwas mit den Tanzszenen, so hätte man sich, zum Beispiel bei Magaldis Liedern, ein paar mehr (Tango-)Tanzszenen gewünscht. Dafür legt das Theater aber Wert auf einige Original-Einspieler von Evita, was sehr interessant zu sehen ist. Ebenfalls sehr interessant: Das nachgemalte offizielles Porträt, seinerzeit 1948 von Numa Ayrinhac angefertigt, welches in dem Stück Rades und van Wegberg zeigt: Gleiche Pose, gleicher Hintergrund und gleicher Gesichtsausdruck wie das Original – sehr gute Idee! Das Bühnenbild ist besonders in Buenos Aires eindrucksvoll: eine große Treppe, ein Café mit Stühlen und Gästen und Häusern – man nutzt die volle Breite der Bühne optimal aus.

Insgesamt eine schöne Inszenierung des Klassikers, die einen kurzweiligen Abend (Dauer: 2,5 Stunden inklusive Pause) bietet. Bis zum 17. Juni bieten sich noch zehn Gelegenheiten, das Stück zu sehen. Preise ab 12,50 Euro, mehr Infos HIER.

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