Progressive Metal? Aggressive Metal? Oder doch nur eine faszinierende Weiterentwicklung?

Andy KuntzAls Bühnenfigur ChristO mit schwarzer Hose, schwarz-samtener Jacke, schwarzen Stiefeln, das Gesicht weiß geschminkt mit roten, tief umrandeten Augen und schwarzen Lippen sieht Andy Kuntz wahrlich wie ein echter Metal Rocker aus. Aber irgendwas passt da so gar nicht zusammen. Er ist ein Phänomen. Der Allround-Musiker, Sänger und Texter hat alles erreicht, was man sich erträumen kann. Internationale Popularität mit seiner eigenen Band. Er war scheint’s zur rechten Zeit am rechten Ort und hatte Menschen um sich, die stets an ihn und sein Können glaubten. Man fragt sich, wie kann er dennoch so unverschämt natürlich und bodenständig-bescheiden bleiben? Andy Kuntz, zum Interviewtermin erscheint er in lässigem Kleidungsstil, helle Jacke im Jeanslook, blaue Jeanshose, die Haare offen, später sieht man sie dann zusammengebunden mit Kappe auf dem Kopf. Er wirkt wie der normale und nette Typ von nebenan, keine Spur von wildem Rocker mit deplazierten Manieren… Ehe man sich versieht ist man herzlich in die Arme genommen und gedrückt worden, dabei setzt er ein spitzbübisches Grinsen auf. Überhaupt, er hat irgendwie immer ein Lächeln auf den Lippen! Er ist locker und witzig, nie um einen Scherz verlegen. Er strahlt Harmonie und innere Zufriedenheit aus. Seine ruhige, weiche Stimme lässt kaum ein Erwidern zu. Er überlegt, bevor er spricht und was er sagt glaubt man ihm zweifellos. Wer ihn beobachtet stellt fest, wie ausgezeichnet er es versteht mit Menschen umzugehen. Er setzt seinen Charme dezent aber punktgenau ein. Spätestens jetzt ist klar, warum er so beliebt ist. Es steckt simple Ehrlichkeit in ihm, aber auch irgendwie Verletzlichkeit, die sich in seinen Augen, seinem Ausdruck und nicht zuletzt in seinen Texten und Kompositionen wiederspiegelt. Die Presse zerriss seine Texte und betitelte sie als „Unterstufenenglisch und Geknödel“.  DOCH: was nützen die schönsten Worte, wenn sie keinen Menschen berühren? Oft ist Weniger eben doch Mehr!

Andy, bitte erkläre den Lesern kurz, was genau ist Progressive Metal?
Wir werden von der Presse gerne in diese Schublade gesteckt. Man gibt sich ja nicht selbst so einen Titel, oder definiert sich selbst. Die Wurzeln unserer Musik liegen in der Zeit Ende der 70er Jahre, als die ersten Progressive Bands wie Pink Floyd, Genesis oder Kansas aufgetaucht sind. Wir haben das weiterentwickelt und lassen mittlerweile auch modernere Riffs im Gitarrenspiel oder auch einfach andere Sounds zu. Progressive Rock ist ein großes Füllhorn und man hat zusätzlich die Möglichkeit mit Orchestern oder auch Opernchören zu arbeiten. Das hat sich ja auch schon Alan Parsons getraut der damals nicht umsonst Pink Floyd produzierte. Ich habe das Gefühl, das Wort schreckt oftmals den potenziellen Hörer, ein bisschen ab. Eigentlich bedeutet es nichts anderes als „weiterentwickelt“ oder „Weiterentwicklung zulassen“. Wir lassen aus fast allen Richtungen der Musik Ideen zu und das ist gut so. Für mich gibt es nur gute oder schlechte Musik.

Wann wurde Dir bewusst Vanden Plas wird was Größeres? Wie bist Du mit dieser Aussicht umgegangen?

Bewusst wurde es uns eigentlich erst so richtig, als wir die ersten Theaterengagements hatten. Von dem Geld, das wir dort verdienten, haben wir unsre erste eigene Platte produziert. Wir haben daraufhin in Frankreich sofort einen Vertrag bei einem großen Label bekommen. Mit dieser Firma arbeiteten wir fortan weiter zusammen um die nächsten Platten zu produzieren. Dadurch kamen wir oft nach Paris, so 10 – 15 x im Jahr. Da bekommst Du schon so einen Eindruck von dem was draußen so läuft. Man trifft die ganzen wichtigen Leute, kommt ins Business rein. Man bekommt Touren bezahlt, die damals bis zu 250 000 Mark gekostet haben. Und wenn man dann merkt, das Leute soviel Geld für dich ausgeben, glaubt man dann irgendwann auch selbst an sich selbst.

Hat sich Dein Leben seither sehr verändert?

Man muss das so sehen, ich bin ein sehr bodenständiger Mensch. Ich habe anfangs auch ganz normal gejobbt- ich habe z.B. gekellnert. Außerdem habe ich Nähmaschinenmechaniker gelernt. Das war mir dann aber zu eng, ich musste mehr Freiraum haben. Ich wollte mein Hobby zum Beruf machen. Ich habe dafür auch drei Jahre als Barkeeper in Kaiserslautern in einer Bar Cocktails gemixt. In dem „Milieu“, bin ich mit sehr vielen Künstlern und Theaterleuten zusammengekommen und das hat mir weitergeholfen. Ich habe dann immer weniger Stunden dort gejobbt um mehr Zeit für meine Musik zu haben. Ich muss auch sagen, dass ich Glück hatte, die richtigen Leute getroffen zu haben, die an mich geglaubt haben. Nebenher jobbte ich auch mal in einem Baumarkt. Da hab ich Schrauben einsortiert. Es war mir alles recht, nur eben um meine Musik voranzutreiben. Es gibt dann natürlich irgendwann den Scheideweg wo man weiß, jetzt muss man ins kalte Wasser springen. Das war dann im Jahr 1999, wo ich mir gesagt habe, „so und jetzt wird nicht mehr irgendwo nebenher gearbeitet, jetzt versuche ich es mal ganz ohne doppelten Boden“. Seitdem hat es dann immer funktioniert.

Welche Musik hörst Du eigentlich privat?

Andy KuntzFast alles… Klassik, auch sehr gerne Instrumentalmusik. Außerdem höre ich guten Pop. Sting, Robby Williams, Muse oder Coldplay finde ich teilweise richtig gut. Es ist leider selten, dass mich ein Album komplett begeistert, es sind meisten so 2-3 Songs die mir nicht so reinpassen. Jetzt habe ich mir gerade die Neue „Lindenberg gekauft“. Da stimmt alles. Der beste „Lindi“ den es je gab. Und das mit 60! Das macht Mut… Der Greis ist heiß. Ich geh auch gerne in Musikläden und lass mich da beraten, höre einfach in Sachen rein. So findet man immer irgendwelche „Schmankerl“. Ich höre aber keine Volksmusik oder so, das ist mir dann doch zu banal.

Ich habe gelesen, Du hast Deine Karriere als Musicaldarsteller begonnen? Gab es in der Berufswahl einen Plan B?

Ich wollte nie Musicaldarsteller werden. Ich wollte Musiker werden. Ich wollte mit meiner eigenen Musik Geld verdienen. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, kommt das jetzt aus der Kasse Vanden Plas, von irgendwelchen Rockshows oder aus Theaterengagements bzw. vielleicht sogar aus ganz anderen Bereichen wie Schauspiel oder was man sonst noch so machen kann: Gesangsstunden, Bands produzieren, junge Künstler fördern.

Andy KuntzPlan B gab es eigentlich nie. Nun gut jetzt gibt es vielleicht einen Plan B. Ich male auch noch und hatte auch schon Vernissagen. Es gibt da durchaus Leute, die meine Sachen lieben. Ich möchte aber mit meinen Bildern gar keine Furore machen. Manchmal sehen sie ein paar Leute, wenn sie bei mir Zuhause sind. Aber jetzt großartig darüber reden oder das publizieren das ist so gar nicht unbedingt meins.

Welche Musicals außer „Jesus Christ Superstar“ hast Du bisher gesehen die Dir gefallen?

Ich habe letztens das „Phantom der Oper“ und „Wicked“ gesehen. Wicked“ hat mir gut gefallen. Dann war da noch „POE“. Das war auch ziemlich gut, gute Darsteller gute Einfälle. Die hatten supergeile Tänzer auf der Bühne muss ich sagen. Es hat mich echt beeindruckt…. Außerdem habe ich mir viel am Stadttheater angeschaut. Ich interessiere mich aber auch für Opern. Da war ich vor 2 Jahren in „Turandot“. Die Inszenierung in Kaiserslautern war umwerfend – geile Sänger, Phänomenal. „Werther“ hab ich mir auch dort angesehen mit fantastischen Sängern. „ „Vampire“ in Berlin war mir irgendwie ein bisschen zu steril. Es hat mich nicht so berührt. Ich werde mir aber mit Sicherheit auch jetzt in Zukunft, wenn ich etwas mehr Zeit habe Vieles angucken! Z. B. den „Ring“ in Bonn.

Gibt es ein  Musical in dem Du gerne mal spielen würdest?

Ja, „Jekyll“ würde ich gerne mal machen. Ich hab demnächst auch noch ein Vorsingen für ein Stück, das ich noch nicht kenne. Witziger Weise: „Der Graf von Monte Christo“ von Wildhorn. Da bin ich mal gespannt. Das sind so zwei Sachen, die mich interessieren… Aber dann ist es auch wieder wichtig, dass ich halt selbst weiter schreibe und komponiere. Solange man Einfälle hat, offene Türen einrennt und es irgendwo auch gut läuft, muss man schauen, wieder Neues zu produzieren. Lieber was Eigenes machen und sich nebenbei auf dem Markt gezielt Stücke von tollen Komponisten aussuchen, um mit guten Regisseuren zu arbeiten oder sich an interessante Themen ran trauen. Wenn’s sein muss auch an einem kleinen Theater. Wenn Du Pech hast, dann hast Du nämlich bei der 20sten Jesus Produktion einen Regisseur, der nicht innovativ ist. Dann spielst Du so was dreißig mal und nach dem zehnten Mal fängt es Dir schon an auf den Sack zu gehen. Wenn es keinen Spaß mehr macht und Du es nur noch wegen des Geldes tust, das ist auch nicht das Richtige.

Gibt es Unterschiede für Dich wenn auf der Bühne als Darsteller spielst und wenn Du mit der Band auftrittst?

Beides hat Vorteile. Als Darsteller bist Du halt an Verabredungen gebunden, hast aber auch viel mehr theatralische Momente. Hinzu kommen die tollen Kostüme. Du kannst Dich ganz anders in Szene setzen. Ein Rockkonzert ist viel spontaner. Es ist nicht immer so perfekt hat aber dafür fast sogar größere Momente. Wenn Du einen Tag erwischt, wo das Fass überläuft, dann kannst Du noch mehr geben, weil von den Zuschauern was funkt. Du hast im Konzert ja eine direkte Resonanz von den Leuten, eine Art Korrespondenz. Dadurch hat man oftmals die Chance vielleicht Dinge zu geben, die auf der Theater Bühne in dieser Art überhaupt nicht möglich sind. Dann sind da aber wieder andere Momente im Theater, wo Du diese Kraft aus anderen Situationen schöpfen kannst. Gespielte Theaterszenen berühren natürlich viel mehr und diese Kraft die man daraus zieht ermöglicht es vielleicht noch schöner zu  singen, oder gebrochener zu singen. Das berührt dann auf eine andere Art. Das hat Beides seine Vorteile, da könnte ich jetzt nichts favorisieren.

Wer kann Dich stimmlich bzw. schauspielerisch noch so richtig beeindrucken?

Also von dieser „Christo“ Produktion beeindruckt mich jeder stimmlich. Da kann man sich von allen Leuten, die mitspielen, irgendwas rausholen. Es gibt immer etwas, was der eine besser macht als man selbst. Das ist doch schön. Da kann man dann an sich selbst auch wieder herumprobieren. Das befruchtet sehr! Jeder Mensch hat doch seine eigene Art. Ich war ja selbst mit maßgebend, wer da engagiert wird. Wenn mich dann nicht jeder beeindruckt hätte, dann wäre da etwas ziemlich schief gelaufen. Ich könnte jetzt bestimmte Punkte nennen, wie den Chris Murray mit seiner Power, den Ducloux mit seiner Körperlichkeit, ich müsste jetzt ausholen, … der Sven mit seiner Frische, die Milica mit ihrer liebreizenden wachen Art darzustellen, das schauspielerische Potential von der Agnes und Dirk Lohr…die Wandlungsfähigkeit eines, nein des Thomas Peters. Nicht zu vergessen unsere Alternierenden- Mischa Mang und Uli Wevelsiep…Die  bringen auch wieder unglaublich tolle Schattierungen mit rein. Jeder hat Irgendwas, wo man sich denkt, wenn ich mir davon noch was nehmen könnte, dann würde es mir irgendwo noch mal weiterhelfen, mich noch einmal komplettieren.

Interessant, dann warst Du also bei den Castings dabei?

Andy KuntzJa, aber ich finde das immer ganz schlimm, weil die Leute da oben stehen sich fühlen müssen wie Frischfleisch, während es begutachtet wird. Ich bin dann immer persönlich zu den Leuten hin, habe ihnen die Hand gegeben, mich bedankt, dass sie da waren – natürlich auch bei denen, die nicht genommen wurden. Ich fand das immer blöd, weil ich weiß, dass man vor den maßgebenden Leuten in so einer Situation nicht immer 100% geben kann.

Du teilst Dir die Rolle mit Chris Murray, der Dein „alter ego“, Inspector X spielt. Schon mal daran gedacht, beide Rollen zu übernehmen?

Das ist auf der Platte eigentlich so angelegt. Aber das wäre natürlich zuviel des Guten. Man hätte dann ein Ein-Mann-Stück. Wenn man all das zusammenrechnet was ich jetzt schon singe, das sind 9 Songs. Chris hat auch noch 5 oder 6. Dann bist Du am Ende bei 15 Songs und kannst auch gleich ein Konzert geben. Das ist aber nicht Sinn der Sache. Dann dürftest Du es nicht als Bühnenstück rausbringen. Da die Texte im Nachhinein speziell auf die Figuren umgeschrieben werden mussten barg das dann natürlich auch einige Schwierigkeiten – Wenn Du die  Sachen teilweise schon 50x live mit der Band anders gesungen hast und plötzlich sind da die neuen Texte… Das ist schon ein bisschen schwierig.

Edmond ist eine gespaltene, multiple Persönlichkeit, was seinem Trauma, der jahrelangen Gefangenschaft zurück zu führen ist. Kannst Du Edmond verstehen?

Andy KuntzSehr gut. Ich meine, es gibt viele Situationen im Leben wo man im Nachhinein reflektiert was passiert wäre, wenn man sich irgendwo hätte einfallen lassen… Z.B. durch den Verlust eines Menschen. Es gibt so viele Gründe, weswegen man aus einem Loch nicht mehr herauskommt, wie z.B. Alkohol, Drogen, Kontakte mit Sekten. Für mich ist das absolut nachvollziehbar, dass ein Mensch auf seine äußeren Einflüsse reagiert, durchdrehen kann und auch Rache nehmen möchte. Ich meine, wir ertappen uns doch auch und empfinden es fast als Genugtuung, sehen es als gerecht an, wenn eine Person wie in Dumas Roman sich rächt. Auch wenn es ethisch nach heutigen moralischen Maßstäben nicht mehr möglich sein sollte. Deshalb haben wir auch den Schluss des Stückes verändert. So gut  wie die Beweggründe auch nachzuvollziehen sind, darf so ein „irrgeleiteter“ Mensch nicht ungestraft davon kommen.

Wie viel ChristO steckt in Andy?

Nach der Vorstellung … Nichts! Davon muss man sich einfach frei spielen. Als Darsteller muss man sich aus verschiedenen Situationen die man erlebt hat, Dinge herausziehen oder auch Gefühlsregungen aus dem wahren Leben in die Rolle einbringen. Auch spezielle, negative, persönliche Dingen können da mit einfließen, die mit Sicherheit temporär gerade bei einer neuen Produktion entstanden sind. Teilweise waren Tage dabei an denen man sich hinterher fragt, ob das alles richtig war, was man da macht. Da kann man auch in ein Loch fallen und hinterher nicht mehr rauskommen. Das muss man versuchen nach den Proben abzustreifen. Wenn man da drin bleibt in dieser Rolle, dann kann man krank werden.

Ich habe natürlich das Glück in den Texten meine eigenen Empfindungen einzubinden und die dann auch spielen zu dürfen. Vielleicht lebe ich sie da schon aus, um diese dann auch nicht so ganz an mich ran zu lassen. Ich hab damals auch „Abydos“ geschrieben, weil mein Papa gestorben ist. In dieser Geschichte ist auch ganz viel Trauerverarbeitung mit drin, aber es hat mir auch ein Stückweit geholfen  mich eben nicht in solch eine verfahrene Situation zu bringen. Das ist eine Art Selbsttherapie.

Kommen wir zum Konzeptalbum ChristO. Hat es eine Bedeutung, dass „Gethsemane“ darauf zu hören ist?

Andy KuntzEine Plattenfirma verlangt immer nach einem Mehrwert, einem Kaufanreiz, sage ich mal. Als Künstler ist einem so was egal aber Du musst dem natürlich auch Rechnung tragen. Du hast also nur die eine Chance zu überlegen, was für einen Mehrwert kann ich bieten ohne sich selbst zu verraten. Wir haben „Gethsemane“ oft genug gespielt mit der Band, wir hatten eine wirklich tolle Version davon erarbeitet die auch schon super arrangiert war. Wir wussten, dass ich die singen kann und da haben wir uns gesagt: „DAS Lied “ von Jesus, diese Hymne, in der er mit Gott hadert, die passt irgendwo auch ganz gut auf dieses Konzept „Christ0“. Es war nicht bewusst und gezielt überlegt. Es gab einen Pool von ca. zehn Ideen und da war schnell  klar dass dieses Gethsemane mit drauf kommt. Es passt stilistisch, es passt von der Thematik, es passt zu der Band! Mehr steckt da nicht dahinter.

Hast Du auf der Bühne schon einmal Deine Grenze überschritten?

Andy KuntzJa es gibt schon immer wieder solche Momente. Gerade dann, wenn man auch schauspielerisch an Grenzen gehen möchte, dann überschreitet man diese auch teilweise schnell mal körperlich. Das ist dann nicht unbedingt immer gut für die Produktion und kann in einer Situation auch ein ganzes Ensemble durcheinander bringen. Da muss man sich dann wirklich disziplinieren. Es entstehen manchmal auch Situationen wo Du dich dadurch selbst in Gefahr begibst. Das nimmst Du dann mit raus und entscheidest, dass Du das einfach nicht mehr wieder machst… bis zur nächsten Vorstellung. Für den Zuschauer ist so was natürlich geil. Wenn auf einer Bühne 20 cm Wasser in Bächen läuft und sich der Judas trotz Mikroport und der ganzen Elektronik vor seinem Tod darin wälzt. Das Ist mein Risiko. Andere brechen so eine Vorstellung ab.

Da gibt dann von Augsburg noch ein – zwei Situationen zu erzählen. Ich stand da oben auf dem Gerüst. Es hatte vorher geregnet und war rutschig. Trotzdem bin ich das Risiko eingegangen mehr zu machen als besprochen. Der Adrenalinpegel war brutal hoch mit 2200 Zuschauern im Rücken. Oder am Schluss, als wir auf das 4 Meter hohe Kreuz hochkletterten, das war mir ausdrücklich verboten von der Obrigkeit. Du bist natürlich nicht versichert wenn vorher eine Ansage kommt… ich habe es trotzdem gemacht. Ich hab dann auch eine Abmahnung bekommen. Zu Recht! Das sind so Sachen wo Du dir im Nachhinein immer denkst, solange nichts passiert, ist es noch okay, aber  wenn dann was passieren würde ist es Deine eigene Schuld. Ich bin da jemand, der da wirklich an die Grenzen geht. Man ist dann so in der Euphorie drin, dass ich mich in Gefahr begebe. Daran arbeite ich!!

Andere bringe ich nie in Gefahr, das ist höchstes Gebot!!

Ist es für Dich eher leicht oder schwierig Deine eigenen Texte in Rollen zu singen. Diese sind ja im Grunde genommen ein Spiegel Deiner Seele.

Andy KuntzEs ist Beides. Wenn man sich so was von der Seele schreibt und als Darsteller letzten Endes seine eigenen Sachen singen kann, dann ist das doch auch ein Traum. Man gibt in diesem speziellen Fall aber nicht nur ein Stück von seiner Darstellungskraft her sondern auch etwas ganz Persönliches, ein Stück seiner Seele preis. Mit einem nicht funktionierenden Ensemble macht dich diese Vielschichtigkeit noch einmal mehr verwundbar. Aber in einer Truppe wie hier in der Du dich aufgehoben fühlst, da funktioniert so was. Die größte Gefahr ist natürlich auch, dass man den Probenprozess nicht loslassen kann und immer noch versucht auch Autor zu sein oder mit zu inszenieren. Ich muss auf der Bühne nur Darsteller sein. Da spielt dann das Vertrauen zu Leuten wie z.B. in diesem Falle Holger Hauer eine große Rolle. Mit ihm funktioniert so was hundertprozentig und da kann man sich dann auch komplett in die Sache reinfallen lassen.

Wie gehst Du ganz persönlich mit Niederlagen bzw. Kritiken?

Ich bin eh mein größter Kritiker! Das Schöne ist ja, dass wir uns, seitdem wir den Auftrag das Stück zu schreiben bekommen haben, bis heute noch immer in einem „ Work in Progress “ befinden. Ich sehe selbst, dass nach drei Shows, das Ding noch lange nicht am Ende ist. Man muss sich selbst immer kritisch hinterfragen. Ich bin also  für ehrliche konstruktive Kritik sehr offen, am liebsten für gute Kritik  aber ich bin auch für negative Kritik, die nur zerstörend und beleidigend wirkt.. Die härtet ab!!! Es verfestigt die eigene Meinung dann nur noch einmal mehr. Wir sind bestimmt nicht beratungsresistent oder so was. Wir haben, glaube ich, ein Team gefunden, das sehr gut harmoniert. In guten als auch schlechten Tagen. Ich glaube von “Niederlage“ spricht man eigentlich nur, wenn man etwas als entgültig ansieht. Wenn ich heut was schreibe was alle scheiße finden, dann muss man sich einfach sagen, nee ich arbeite jetzt da dran weiter. Dann kann aus so einer vermeintlichen Niederlage auch wieder was Positives entstehen. Negative Energien positiv umkehren. Das ist so mein Credo. Es fällt teils auch schwer, aber ich versuche mir das immer vor Augen zu halten.

Gibt es in Deinem Job auch was Negatives für Dich?

Du hast immer dann, wenn Du eine neue Produktion anfängst Angst vor den Leuten. Wir hatten das Glück, wir konnten uns die Leute aussuchen. Trotzdem weißt Du ja nicht hundertprozentig ob nicht doch ein Stinkstiefel dabei ist. Einer reicht, der kann Dir die ganze Produktion vereiiern. Das würde weniger weh tun wenn’s „Jesus Christ“ oder ist. Wo ich im Grunde etwas präsentiere, das von jemand Anderem geschrieben ist. Wenn es Dein eigenes „Baby“ ist, dann hat das natürlich eine gewisse Heiligkeit. Bei so einer Produktion komme ich da hin und habe irgendwie das Gefühl vom ersten Schultag im Bauch: wie kommt man mit den Leuten aus?  Das sind Sachen, die auch so ein Stück weit Angst machen, aber in dem Fall hat es ja einwandfrei geklappt. Wir haben keinen Stinkstiefel dabei, zum Glück. Mir ist das sehr bewusst, dass das nicht selbstverständlich ist.

Abschließend würde mich noch interessieren:  hat ein Mensch wie Andy Kuntz denn überhaupt noch Wünsche ans Leben?

Andy KuntzIch will gesund bleiben, das ist ganz entscheidend. Ich will mir treu sein. Man kommt natürlich, je mehr Erfolg man dann letzten Endes hat, in andere Kreise. Die Gefahr besteht und man sollte sich immer unaufhörlich prüfen ob man “Echt“ ist . Das ist für mich so das Maßgebliche. Aber ich sehe, dass „abheben“ nicht zu unserer Familie passt. Natürlich, es gibt auch mal euphorische Momente, da muss man dann aufpassen, dass man nicht irgendwie über die Stränge schlägt. Das darf man schon auch mal gönnen, aber es sollte halt von kurzer Dauer sein. Ja, und dann wünsche ich mir auch noch viele Eingebungen und die richtigen Menschen, mit denen ich sie umsetzen kann.

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