„Ich hasse das Theater“ – The Drowsy Chaperone – Hochzeit mit Hindernissen am Stadttheater Bielefeld

Copyright: Bettina Stöß

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An ein etwas außergewöhnliches Stück wagt sich dieses Jahr das Stadttheater Bielefeld heran: „The Drowsy Chaperone – Hochzeit mit Hindernissen“ nach einem Buch von Bob Martin und Don McKellarson und mit Musik und Texten von Lisa Lambert und Greg Morrison unter der musikalischen Leitung von William W. Murta. Ein Erzähler führt durch die knapp zweistündige Inszenierung (Thomas Winter) und lässt die Figuren seines Lieblingsstückes, eben jenes Stückes „The Drowsy Chaperone“ aus den 1920ern Jahren, welches er als Doppel-Schallplatte besitzt, in seiner New Yorker Wohnung zum Leben erwecken. Das Stück ist eine Parodie auf die damaligen Inszenierungen und lässt sich auch in die heutige Zeit übertragen.

So wird sein eher graues und trostloses gehaltenes Apartment (Bühnenbild und Kostüme: Beatrice von Bomhard) zur Bühne: Aus dem Kühlschrank kommen die Schauspieler des „Stückes im Stück“,  es sind sehr überzeichnete Figuren, wirken teilweise wie Marionetten, sei es durch ihre Bewegungen, ihre Mimik oder die Kleidung. Da es so gut wie immer in der Wohnung spielt, ist das Bühnenbild einfach gehalten: Am Rand sitzt der Erzähler in einem Stuhl bei seinem Schallplattenspieler, in der Mitte ist die Küchenzeile, ein Kühlschrank, Tisch mit Sessel, ein paar Regale und ein ausklappbares Bett.

Nito Torres (der u. a. am Theater Bonn spielte und außerdem seit 2005 festes Mitglied im Ebertbad Oberhausen ist und ebenfalls als Kabarettist arbeitet) spielt den Erzähler, der sehr sympathisch auf das Publikum zu geht und es immer wieder durch das Durchbrechen der vierten Wand mit einbezieht und anspricht – es macht einfach Spaß, ihm zuzuschauen. „Ich hasse das Theater – es enttäuscht einen einfach zu oft“ – dieses sind seine ersten Worte.

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Er fühlt sich in seinem Apartment trüb und kommt auf die Idee, dem Publikum seine Lieblings-LP des großen Broadway-Stückes, von dem er so schwärmt, vorspielen. Und schon kommen die Figuren aus „The Drowsy Chaperone“ in seine Wohnung: Es beginnt mit dem Song „Hübsches Kleid“, bei dem Mrs. Tottendale, die die Feierlichkeiten ausrichtet, und ihr Diener auf der Bühne stehen und nach und nach die weiteren, mehr oder weniger eingeladenen, Gäste zur Hochzeit von dem durch Geburt reichen Robert und seiner Janet Van De Graaff (hervorragend: Maja Sikora), der Star der „Feldzieg Follies“, auftauchen: George (Jens Janke; er war u. a. schon bei Anything goes und Chess am Theater Bielefeld), Mr. Feldzieg (Carlos H. Rivas, seit 2005 regelmäßig in Stücken in Bielefeld zu sehen wie z. B. The Birds, Scarlet Pimpernel, Tommy), Kitty, die beiden als Zuckerbäcker verkleideten Gangster (Arne David, der u.a.  schon bei Kein Pardon und Mamma Mia! mitspielte und Tobias Berroth, er war bereits als Faust in Faust und u. a.  bei Die Schöne und das Biest zu sehen), der Latin-Lover Aldolpho (Andreas Wolfram; weitere Rollen u. a. Frank N Furter bei der Rocky Horror Show und der Esel in Shrek), gefolgt von der Anstandsdame im schwarzen Glitzerkleid (Kerstin Marie Mäkelburg, dem bielefelder Publikum aus Company bekannt) und Trix, the Aviatrix* (an diesem Abend von Roberta Valentini gespielt).

Mr. Feldzieg gefällt nicht, dass Janet ihre Karriere für die Hochzeit beenden möchte und versucht, sie zu überzeugen, doch noch weiter zu machen, zumal er von dem Gangsterpaar bedroht wird, deren Auftraggeber ebenfalls Investor der Show ist und somit natürlich Interesse daran hat, dass der Star weiterhin bei der Show bleibt. Kitty, sehr schön einfach und schlicht von Michaela Duhme gespielt, hingegen sieht nun ihre große Chance gekommen, dass sie Janets Platz einnehmen kann. Die Anstandsdame hat den Auftrag, dafür zu sorgen, dass Braut und Bräutigam sich vor der Hochzeit nicht sehen.

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Am Tag der Hochzeit bekommt der Bräutigam Robert „Kalte Füße“ und teilt dieses durch das gleichnamige Lied dem Zuschauer mit. Schön überzogen von Gero Wendorff gespielt, erinnert er den Zuschauer mit seinem Zahnpastawerbung-Lächeln, sehr an Ken von Barbie. Unterstützt wird er durch George, der ihm Mut macht und beide legen eine flotte Steppnummer aufs Parkett (Choreographie: Dominik Büttner), bis George, der auch aufpassen soll, dass das baldige Ehepaar sich nicht zuvor sieht, Robert auf Rollschuhen, aber pflichtbewusst mit Augenbinde, in den Garten fahren lässt. Diese Szene wird durch das Telefonklingeln beim Erzähler gestört – aber er geht nicht ran, sondern lässt das Stück weiter laufen.

In der Zeit gibt Janet den Reportern am Pool ein Interview, erzählt, wie sie Robert kennengelernt hat und macht ihnen klar, dass sie „das Angeben satt“ habe und untermalt das Ende ihrer Showgirlkarriere mit diversen Tanz- und Showeinlagen, sowie kleinen Kunststückchen.

Feldzieg bekam inzwischen eine Idee, die Hochzeit zu verhindern: Janet soll mit einem anderen Mann  ins Bett! Diesen anderen Mann findet er in dem feurigen, von sich selbst sehr überzeugten, aber auch etwas dummen Italiener Adolpho – überzeugend von Andreas Wolfram  mit italienischem Akzent gespielt.

Nun kommt eine Szene, die der Erzähler gar nicht mag: Mrs. Tottendale macht ihrem Diener Underling klar, dass er auf Grund der Prohibition, Wodka bringen soll, wenn nach Eiswasser verlangt wird. Dieses stellt sich als Problem heraus, als Tottendale wirklich nur Eiswasser möchte. Nun sieht der Zuschauer, wie der Erzähler auch mal eine Szene auf der LP überspringt („Diese Szene ist sowieso nur drin, da die Zeit für den Umbau benötigt wird“). Schön mit trocknem Humor spielen Melanie Kreuter und Lutz Laible (seit 2002 im bielefelder Opernchor) ihre Rollen durch das ganze Stück.

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Die nächste Szene spielt sich im Zimmer der Braut ab, wo auch die Anstandsdame ist und das Lied „Strauchelnd geht es voran“ sing – mit der markanten Stimme von Mäkelburg bekommt dieses Lied seinen besonderen Touch. Janet verlässt das Zimmer, um Robert zu fragen, ob er sie auch wirklich liebt, da die Anstandsdame auf Grund ihres beschwipsten Zustandes keine gute Hilfe mehr ist, Janets Zweifel zu beseitigen, und geht in den Garten. Nun erscheint Aldolpho bei der Anstandsdame und hält sie für die zu verführende Janet; die Anstandsdame streitet erst einmal ab, die zukünftige Braut zu sein, bis sie doch Aldolphos Charme erliegt und sagt, sie sei die Braut – und schon landen beide im Bett, aber erst, nachdem Aldolpho ihr mit einem Lied seinen Namen ins Gedächtnis gebrannt hat.

Derweil begegnen sich Janet und Robert im Garten; Robert, noch immer auf Rollschuhen und mit Augenbinde, erkennt seine Janet nicht, und sie nimmt diese Gelegenheit, um ihn zu testen und gibt sich als Mimi aus, die auch noch mit französischem Akzent spricht. Er erzählt ihr, wie sie sich kennengelernt haben… Das Ganze endet dann mit einem zärtlichen Kuss und Entsetzen, dass Robert eine andere Frau geküsst hat. („Unglück, das einfach passier’n muss“)

HochzeitmitHindernissen07Die beiden Zuckerbäcker stoßen auf Mr. Feldzieg und bedrohen ihn. Dieses machen sie aber in einem Stiel, der Feldzieg dazu verleitet, die beiden als Tanzensemble in seiner Show unterzubringen und dazu noch Kitty, die versucht, als Gedankenleserin zu überzeugen. „Plunder Surprise“ ist eine schöne lockere Nummer, eingängig vorgetragen von Arne David und Tobias Berroth.

Janet teilt allen mit, dass sie Robert nicht heiraten wird und Aldolpho erzählt, er habe mit der Braut geschlafen – bis sicher herausstellt, es war die Anstandsdame. Fröhlich und beschwingt tanzen nun alle zum neuen Hit der Show, bis sich Janet plötzlich fragt, warum sie das macht – sie war doch alles andere, als in einer guten Stimmung.

Nun käme in jedem Musical eine Pause – hier gibt es aber nur eine gespielte Pause. Der Erzähler mag die Pause nicht, so ist man doch schnell raus aus dem Stück und muss sich banale Gespräche des Publikums anhören. Aber eine Pinkelpause braucht er. Für die Zuschauer geht es dennoch schon mal mit dem zweiten Akt weiter. Zu chinesischen Klängen erscheint eine orientalische Kulisse und die Künstler in Form eines chinesischen Kaisers (Aldolpho) und weiteren Beteiligten. Leichte Verwirrung macht sich breit – bis der Erzähler wieder kommt und feststellt, dass da wohl jemand die falsche Schallplatte in die Hülle gesteckt hat. Also schnell die Schallplatte gewechselt und weiter  geht’s.

Janet darf das „Klagelied der Braut“ auf dem Balkon singen – da der Erzähler aber keinen hat, muss sein Kühlschrank als Balkon herhalten, zu dem Äffchen-Motiv kommt eine Vielzahl an Affen auf die Bühne – für den Erzähler hat zwar das Affenmotiv Schwächen, aber dennoch hat diese Szene von allem etwas. Sogar von Gorillas im Neben. Wieder hört man das Telefon des Erzählers im Hintergrund, wieder hebt er nicht ab.

Mrs. Tottendale und Underling merken derweil, dass sie sich stark zueinander hingezogen fühlen und beschließen, heute zu heiraten. So ebenfalls Aldolpho und die Anstandsdame und Kitty mit Mr. Feldzieg.

Ein fallender Stock macht die nächste Szene interessant – Was genau sagt die Anstandsdame zu Janet, als diese fragt, ob sie heiraten soll? Sagt sie „Selbstverständlich, Nichte? oder sagte sie „Selbstverständlich nicht“?! Auch durch mehrmaliges Vor und Zurück auf der LP bleibt dieses ein Rätsel.

Aber: „Liebe geht am Ende immer gut“ – so heißt nicht nur der Song, sondern so geht es auch aus: Janet heiratet natürlich Robert. Leider hat aber George vergessen, den Pfarrer zu bestellen! Halb so schlimm, denn da landet Trix, die Fliegerin, und da sie ein „(Luft-)Schiff“ steuert und sie somit etwas wie ein Kapitän, nur in der Luft, nicht zu Wasser, ist, darf sie auch Trauungen durchführen. Also steht den vier Hochzeiten nichts im Wege, fröhlich singend („Ein himmlisch-luftiges Ja“) geht es in Richtung Rio. Doch dann: Stromausfall im Apartment! Der Hausmeister steht vor der Tür und betritt die Wohnung. Er hatte versucht, anzurufen, doch niemand nahm ab. Es gab einen neuen Verteilerkasten und nun muss er die Sicherungen wieder rein machen. Er erzählt noch, dass er auch gerne zu Musicals geht… Besonders gefiel ihm die Hauptdarstellerin in „Elisabeth“…

Das Musical war anfangs nur von Bob Martin Freunden im Jahre 1997 als kleine Aufführung unter Freunden bei seiner Hochzeit gedacht, entwickelte sich dann aber schnell, so dass ein komplettes Werk ein Jahr später entstanden ist und 2006 am Broadway anlief und zwei Tony Awards gewann.

Ein kurzweiliges Stück mit sehr guter Besetzung, welches von allem etwas hat: Humor, schöne Songs, etwas Tanz – und das ganze mal etwas anders aufgeführt. Vorstellungen gibt es (erstmal) bis zum 31.12.2016!

*Die geplante Besetzung der Trix wird kurzfristig vor den Vorstellungen bekannt gegeben. Am 11.09. singt Carina Sandhaus, am 24.09. und 15.10. Lucy Scherer und am 29.09.,  01.10. und 08.10. Navina Heyne. Kurzfristige Besetzungsänderungen sind möglich!

Karten gibt es Infos gibt es HIER

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