Mit großen Namen wartet das Theater Dortmund bei dem Stück „Sunset Boulevard“ von Andrew Lloyd Webber unter der Regie von Gil Mehmert auf: Pia Douwes als Norma Desmond, Oliver Arno in der Rolle des Joe Gillis und Wietske van Tongeren verkörpert die Betty Schaefer. Norma ist eine ehemalige, zu ihrer Zeit sehr erfolgreiche, Schauspielerin der Stummfilmzeit, welche allerdings schon länger zurückliegt, die dabei ist, ein Drehbuch zu schreiben, in dem sie sich selber die Hauptrolle (ironischerweise die einer 16 Jährigen) zuschrieb. Sie ist exzentrisch, hielt zum Beispiel einen Affen als Haustier und schaut sich immer wieder ihre eigenen Filme an, zu denen sie sich chic macht, wenn diese von ihrem Butler Max von Mayerling (Ks. Hannes Brock) eingelegt werden. Ein Leben voll und ganz in dem Ruhm vergangener Tage. Joe, ein Drehbuchautor, der sich in Geldnot befindet, betritt zufällig das luxuriöse Anwesen des ehemaligen Stars am Sunset Boulevard. Letztendlich durch das Geld von Norma überzeugt, gibt er ihr nach und liest und optimiert ihr Drehbuch „Salomé“; auf Kürzungen aber lässt sich die tonangebende Norma nicht ein. An Silvester gesteht sie Joe, dass sie ihn liebt und regiert sehr eifersüchtig und dramatisch, als sie von der Produktionsassistentin Betty, für die Joe Gefühle hat und mit der er ebenfalls ein Drehbuch zusammen schreibt, erfährt. Norma glaubt, bekräftigt durch die Fanpost, die sie jeden Tag erhält, aber bei der sie nicht ahnt, dass diese von ihrem Butler, zugleich ehemaligen Produzent und Ex-Ehemann Max stammen, dass die Welt schon lange auf einen weiteren Paramount Pictures-Film mit ihr in der Hauptrolle wartet. Man merkt ihr aber an, dass das abgeschottete Leben sie zu einer labilen und klammernden Frau machte, die eigentlich nur noch dafür lebt, wieder in das Showgeschäft einzusteigen. Das Ganze endet dramatisch, da Produzent Cecil B. DeMille (Hans Werner Bramer) nicht wirklich daran interessiert ist, einen neuen Film mit ihr zu drehen und Joe beschließt, aus dem Leben, was er bei und mit Norma führt, welches auf dem Geld von Norma und ihren Einschränkungen für ihn beruht, auszubrechen. So endet es mit einem Mord und einer Diva, die festgenommen wird – von den Anwesenden als großer Auftritt für sie inszeniert, damit überhaupt ein Herankommen an sie möglich ist.
Das Stück ist dunkel und vermittelte eine leicht bedrückende Stimmung, dunkle Farbtöne dominieren in dem Anwesen von Norma. Die Kulissen sind dunkel und eindrucksvoll, geben dem Ganzen einen ungewöhnlichen Flair – es ist kein gute Laune Musical, sondern zeigt dem Zuschauer, was Menschen für Geld opfern – sie nehmen Einschränkungen in ihrem Leben in Kauf, um aus Schulden rauszukommen. Und es zeigt den Verlauf des Lebens, wenn jemand erst ein gefragter Star ist, dann plötzlich in der Bedeutungslosigkeit verschwindet und niemand mehr nach ihm verlangt. Dunkle Farben finden sich auch in den schönen Kostümen von Norma wieder – bis auf ein gold-funkelndes Kleid hat die Diva nur schwarze Kleidung. Für Kostüme und Bühnenbild ist Heike Meixner in dieser Produktion zuständig und hat sehr gute Arbeit geleistet. Auch auffällig: Die Arbeit mit Licht, Schatten und Nebel, welche in einer Verfolgungsszene von zwei Autos (welche für Lacher im Publikum sorgt und deren Umsetzung sehr gut ankam) und der Beerdigung des Affen, die man durch ein Fenster mitverfolgen konnte, gut zur Geltung kommt. Farbe kommt bei den Szenen ins Spiel, in denen Joe bei seinen Arbeitskollegen und Freunden ist, dort hat man das Gefühl von Leben, Frische, echter Fröhlichkeit und Jugend. Also genau das Gegenteil, von dem, was in den Szenen von Norma und ihrem Butler gezeigt wird.
Pia Douwes in der Rolle der Norma kommt bei dem Publikum besonders gut an – hat sie in diesem Stück wieder einmal ihre Paraderolle: Die ältere Dame mit dem gewissen Etwas. Durch ihre markante und eindringliche Stimme gibt sie Norma ihren ganz eigenen Touch und ist die perfekte Besetzung für sie. Stimmlich einwandfrei singt sie sich durch den Abend und spielt so glaubhaft ihre Rolle, als sei sie wirklich Norma.
Auch Oliver Arno verkörpert Joe Gillis perfekt. Vom auf Geld angewiesenen, bis hin zu dem aus den Fängen von Norma ausbrechenden Mann spielt er seine Rolle überaus gelungen. Höhepunkt ist sicherlich sein Lied „Sunset Boulevard“am Anfang des zweiten Aktes. Das Publikum dankt es ihm mit viel Applaus.
Der Butler Max von Mayerling wird ruhig und mit angenehmer Stimme von Ks. Hannes Brock gespielt und gesungen. Etwas mysteriös tut er für seine Diva alles und lässt sie dadurch in ihrer eigenen Welt leben, auch auf die Gefahr hin, dass sie eines Tages auf den Boden der Wirklichkeit aufschlagen wird. Wietske van Tongeren hat die Rolle der Betty Schaefer übernommen. Diese Rolle bringe etwas Fröhlichkeit in das Stück, hat Betty doch nichts mit der irrealen und künstlich erschaffenen Welt von Norma zu tun und ahnt nichts von der anderen Seite des Gillis. Sie verkörpert ihre Rolle angenehm leicht, stimmlich kommt sie nicht ganz an Douwes ran, aber das ist auch nicht zu erwarten, da Douwes schon über so viel Bühnenerfahrung verfügt. Dennoch singt sie natürlich ohne jedwede Beanstandung ihre Parts und ist in dieser Rolle gut besetzt.
Ebenfalls der Rest des Ensembles macht einen sehr guten Eindruck in den Szenen, wo auf der Bühne Trubel herrscht und viel los ist, sei es bei der Silvesterszene, wo „For He’s a Jolly Good Fellow“ gesungen wird oder bei den zahlreichen Szenen, die am Set von Paramount Pictures stattfinden. Die Choreographie von Melissa King ist ebenfalls stimmig.
Das Orchester unter der musikalischen Leitung von Ingo Martin Stadtmüller und Manuel Pujol hat einen vollen Klang mit seinen 44 Mitgliedern und lässt absolut keine Wünsche offen – so wünscht man sich einfach jedes Orchester.
Eine sehr gelungene Inszenierung mit einer erstklassigen Besetzung sorgt für einen schönen 2,5 stündigen Theaterabend, der mit Standing Ovations endet. Noch bis zum 29. Januar 2017 ist das Stück zu sehen.
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Fotos: Theater Dortmund