Monarchisches Gipfeltreffen in Österreich! Kaiserin Sissy trifft Hexe Elphaba, König Ludwig II und Jesus geben sich persönlich die Ehre!

Während Sissy selbstverliebt „ich gehört nur mir“ schmachtet, kuschelt Bayernkönig Ludwig II  mit Frank’n Furter, derweil die Hexe Elphaba „sombody to love“ gefunden hat… „Musical“-ische Höhepunkte auf einer österreichischen Alp!

Musicalgala Elbigenalp Randy Diamond Maricel Wölk Jan Amman Nicole CirothIm Rahmen einer Musicalgalareihe hatte die kleine Geierwally Freilichtbühne in Elbigenalp/Österreich am 8.8.08 die große Ehre großartige Musicalstars wie Maricel Wölk, Nicole Ciroth, Jan Ammann und last but not least Randy Diamond zu präsentieren. Musicalkenner wissen allzu gut, dass nicht nur die abgegriffenen Klassiker des Genres begeistern können. Man „erinnert“ sich oft mit Grauen an ein zum millionsten Mal gehörtes „Memory“ aus Cats. Es erklang kein hunderttausendstes Mal Wimmern in „Don’t cry for me argentina“. Die meisten dieser „abgehörten“ Songs lösen mittlerweile Reaktionen wie – im wahrsten Sinne Wortes- „I know him so well“ aus. Wunderbar, dass mit diesem Abend bewiesen wurde, dass das Musicalpublikum längst nicht eingestaubt ist und an alte „Gassenhauer“ klammert. Mit neuen Songs aus modernen Stücken, mit mehr oder weniger bekannten Liedern, schafften es die Stars ihr Publikum zu Begeisterungsstürmen hinzureißen. Vielleicht liegt es daran, dass die Darsteller ihre persönlichen Songvorschläge einbringen konnten? Mit Sicherheit, denn es war spürbar, dass sie mit großartigem Engagement und viel Freude „ihre“ Lieder interpretierten. Da diese Musicalgala eine „Wanderveranstaltung“ ist, war kein extra Bühnenbild vorhanden. Stattdessen waren die Kostüme, die zum großen Teil getragen wurden, echte Hingucker.

Randy Diamond CabaretRandy D. eröffnete den Abend mit dem Musicalhit „Willkommen, Bievenue, Welcome…“ aus Cabaret. Sofort ist klar, dieser Mann hat Komikertalent. Unterhaltend, wie er mit den Augen rollt und seine Mimik und Gestik einsetzt. Die Zuschauer erahnen, dass sie ganz großes Entertainment erwartet. Diamond hinterläßt Eindruck und begeistert als er später mit einem eigens interpretierten „Gethsemane“ aus „Jesus Christ Superstar auftritt. Seine Stimme setzt Nuancen und berührt. In den aggressiven Passagen schafft er es Power einzusetzen. Auch die Höhe gegen Ende des Songs kann er halten und findet die Balance zurück in einen ruhigen Abschluss. Gesonderte Anerkennung verdient er für seine ganz persönliche Interpretation dieses Klassikers. Die entstandene Gänsehaut war sicherlich nicht nur den kühlen und feuchten Temperaturen zuzuordnen.

Nicole Ciroth, erst Sissi im Ludwig2 Musical sang nun als Sissy den Song „Ich gehört nur mir“ aus dem Musical „Elisabeth“. Sehr passend! Mit ihrer Stimme und Darbietung gelang es ihr, die junge sowie gealterte Sissy hervorragend zu verkörpern. Die ganze Verbitterung aber auch die Träume der Kaiserin, die der Inhalt des Liedes beschreibt kam überzeugend an. Gerade die beliebtesten Songs eines Stückes erschweren es den Darstellern, diese zu singen, ohne gleich gewohnten Besetzungen von Inszenierungen im Vergleich standhalten zu müssen. DER Elisabethsong ist daher ein gewagtes Unternehmen. Diesbezüglich kann sich Nicole C. jedoch völlig entspannt zurücklehnen.
Maricel Wölk und Randy Diamond heizten in der folgenden Nummer das Publikum gewaltig ein. Aus dem Musical „Dirty Dancing“ sangen und tanzten sie „Time of my life“, den wohl bekanntesten und beliebtesten Song des Stückes und des gleichnahmigen Filmes. Man konnte die Zuschauer beobachten, wie sie in ihren Reihen leicht mitswingten.

Jan Amman Tanz der VampireDie Stimmung „verdüsterte sich“, als Jan Ammann als Graf Krolock „die unstillbare Gier“ aus dem Longrunner „Tanz der Vampire“ ansetzte. Der klassische Sänger verlieh der Rolle durch seine Stimmfarbe einen neuen Charakter, der diesen noch düsterer und gefährlicher erscheinen lässt. Überzeugend setzt er seine Stimme im Wechsel vom Sprechgesang, in absolute Powerpassagen und dann wieder in sehr weiche und melodische Parts ein. Überhaupt ist Ammann ein absoluter Hingucker, spätestens dann, wenn er mit seinem charmanten und einnehmenden Lächeln die Bühne verlässt. Er singt seine Songs, als hätte er nie andere Rollen gespielt. So auch das Phantom der Oper. Zusammen mit Nicole Ciroth folgte das wunderschöne Duett „All I ask of you“. Es gelang beiden in ihrem Ausdruck Spannung und Anziehung der jungen Opernsängerin und dem entstellten Mann, der in den Katakomben des Theaters haust, zu vermitteln. Im Solo „Musik der Nacht“ kommt Ammanns klassische Stimme voll zur Geltung. Faszinierend, wie er die erfordernden Höhen spielend erreicht. Gerade in diesem ruhigen Song war es sehr bedauerlich, dass die Musik zu laut aufgedreht war und somit die Textverständlichkeit auf der Strecke blieb. Generell scheint dies leider ein Problem gewesen zu sein, das im Laufe der Show immer wieder auftrat.

Mit Maricel Wölks „Defying Gravity“ aus „Wicked- die Hexen von Oz“ folgte ein weiterer Höhepunkt der Gala. Gerade in diesem Song bewies die schlanke, große Darstellerin, welche massive Power in ihrer Stimme liegt. Soulstark löste sie begeisterten Applaus aus. Ein Besucher sprach wohl den meisten Zuhörern aus der Seele mit der Frage „ob diese Frau eigentlich auch mal dazwischen atmet?“

Diese Frage wird sich der nette Zuhörer bei Nicole Ciroth ebenfalls gestellt haben, als diese mit verführerischer Federboa erscheint, sich problemlos zwischen die Zuschauerreihen schlängelt und ungeniert mit den Männern kokettiert. Mit „Big Spender“ beweist die klassische Sängerin und zierliche Brünette, dass in ihr pure Big Band Stimmgewalt schlummert. Begeisterungsstürme erntet sie, als sie diese broadwayreife Perfomance mit einem atemberaubenden Spagat beendet.

Randy Diamond Rocky Horror Picture ShowGejohle, als Randy Diamond vor der Pause die Bühne betritt. Als Frank’n Furter aus der „Rocky Horror Show“ lieferte er einen absoluten Brüller. Als Transvestit in Leder-Latex-Hose, weinrotem Korsett, undendlich hohen schwarzen Lackplateauschuhen stolziert er gekonnt, mit dem Gesäß betont wackelnd, den Weg zur Bühne hinunter. Der „Sweet Transvestite“ brachte die Zuschauer dazu in Lachsalven auszubrechen. Die geschnörkelten, aufgemalten Koteletten setzten der gesamten Erscheinung Diamond die Krone auf. Zusammen mit Maricel Wölk, Nicole Ciroth und Jan Amman schließt er den ersten Teil mit dem legendären „The time warp“, bei dem das Publikum in den kultigen Time-Warp-Dance instruiert wurde. Auch wenn es bei dem ein oder anderen Zuschauer aussah- wohin man auch blickte- glückliche und gut gelaunte Gesichter.

Nach der Pause ging es gewaltig weiter. Die ersten Töne einer schweren Orgel ließen unschwer erraten, das Phantom war zurück gekehrt. Dass sich hier Nicole Ciroth und Jan Ammann perfekt ergänzen war mehr als klar. Die Beiden sangen „Das Phantom der Oper“ derart beeindruckend, so dass reine Mystik und Magie von diesem Lied ausging. Auch die Hintergrundkulisse, die felsige Bergwand unterstrich diese Wirkung.

Randy Diamond Jekyll & Hyde Dies ist die StundeOb die letzte Stunde geschlagen hatte, sollte jedem selbst überlassen werden. Randy D. mit der englischen Version von “Dies ist die Stunde” –  „This ist the moment“ aus Jekyll & Hyde bewies, dass Jekyll/Hyde eine seiner liebsten Rollen ist, die er bisher in Produktionen verkörperte. Jekyll & Hyde ist überhaupt eines der unbestritten emotionalsten Musicals. Der Reiz der Geschichte in Verbindung mit dieser Musik erzeugt Reaktionen, wie kaum ein anderes Stück.Verständlich, dass „Sein Blick“ ein Frauenduett von Maricel W. und Nicole C. vorgetragen, hier keinesfalls fehlen durfte. Ergreifend, wie beide ihre Sehnsucht besangen und nachvollziehbar, dass Tränen seitens des Publikums nur schwer unterdrückt werden konnten. Den Abschluss der Jekyllreihe lieferte der erotische Song „ein gefährliches Spiel“. Es lag mit Sicherheit nicht nur an dem Text, der knisternde Erotik erzeugte. Auch das starke Schauspiel von Maricel W. und Jan A. komplettierte diesen Eindruck.

Jan Amman Nicole Ciroth Ludwig2Das Musical „Ludwig2“ dürfte man an diesem Abend wohl schon vermisst haben, hatten jüngst Nicole Ciroth und Jan Ammann darin lange Zeit gespielt. Ein kleiner Wehmutstropfen kam auf, als Nicole C. mit „Mein Ritter“ ein wunderschönes Lied ankündigte, welches das Kindermädchen Sybille dem kleinen Ludwig, auch „Wiggerl“ genannt, zum Schlafengehen vorsang. Der damals hierfür diese Rolle vorgesehene Junge, hatte durch die Insolvenz der Produktion seine Premiere nicht spielen können. Aus diesem Grund hat ihn Nicole C. für diesem Abend als Specialguest geladen damit er mit ihr singen und spielen durfte. Dafür erntete der junge Darsteller herzlichen und langen Applaus „Kalte Sterne“ von Jan Ammann vervollständigte die Ludwigreihe. Seine Stimme lässt schon nach wenigen Sekunden keinen Zweifel offen, dass er die Idealbesetzung des Königs war. Beeindruckend, dieser Mann mit den blauen strahlendenden Augen und dem sympathischen Lächeln, bei dem die Frauenherzen verrückt spielen. Bei ihm sollte man sich sehr wohl mit dem Gedanken befassen, die Monarchie in Bayern wieder einzuführen.

Mit „My Delilah“ von Tom Jones zeigte Randy Diamond eine weitere Stimmfarbe. Wer ihn jemals „I am what I am“ singen hat hören, weiß, dass er Songs aus alten Zeiten so überzeugend singt, als wenn sie gerade der neueste Musicalhit wären. Er steht Diamond im schneidigen Anzug  mit weißem Hemd und Kravatte da, ein Kavalier wie aus dem Knigge entnommen…

DSC07767 Maricel WoelkDer wahrlich stimm(ungs)gewaltige Abend wurde von Maricel Wölk geschlossen indem sie „Somebody to love“ aus „We will rock you“ von Queen anstimmte. Mit ihrer witzigen und direkten Art musste sie keine großen Überredungsskünste aufbringen, das Publikum zu überreden, die Rolle des dreistimmen Backroundchor zu übernehmen.

Inmitten der Felsen der Freilichtbühne beeindruckte die bombastische Akkustik derart stark und löste hier wohl nicht nur bei Maricel Bewunderung über das durchaus gelungene Ergebnis des Gemeinschaftschores aus.

Die Stimmung hatte ihren Siedepunkt erreicht und so war es nicht weiter erstaunlich, dass mit einem Medley aus „Mamma Mia“ ein grandioser Abend abgerundet und geschlossen wurde. Diese Gala war wieder einmal ein Beweis dafür, dass es absolut keine Bühnenausstattung benötigt um eine erfolgreiche und beeindruckende Show auf höchstem Niveau zu gewährleisten. Das Zusammenspiel verschiedener Lichtfarben erzielte auf einfachste Weise schöne stimmungsvolle Effekte. Schade, dass ab und an ein Darsteller für kurze Zeit im Dunkeln stand, weil der Lichtspot zu spät angeschaltet wurde, bzw. den Darsteller auf der Bühne suchen musste. Auch der Ton erzeugte an manchen Stellen seine Probleme. Abgesehen davon, dass das falsche Playback eingesetzt wurde, – was die Sänger allesamt sehr souverän und humorvoll entschuldigten-, war diese in manchen Songs etwas zu hoch gesteuert. Die Musik dröhnte teils sehr laut aus den Boxen, die auf der kleinen Bühne verteilt standen. Gerade in ruhigen Passagen ist das bedauerlich, wenn der Darsteller zwar stimmlich Emotionen erzeugen will, man ihn aber leider so gar nicht verstehen kann.

Nicole Ciroth  MusicalAllesamt aber haben die vier Protagonisten unbestritten Weltklasseniveau und jeder Besucher darf sich glücklich schätzen, diese auf einer Bühne und in dieser Form erlebt haben zu dürfen. Jeder von ihnen besitzt die Power, Ausdruck, Talent, Stimme und beeindruckende Professionalität, gebündelt mit Natürlichkeit, viel Charme und Witz wie man es selten in dieser Kombination erlebt. Verständlich, dass deren Leistung mit langanhaltenden, tosendem Applaus und stehenden Ovationen honoriert und anerkannt wurde. Nicht nur das Publikum sang am Ende „Danke für die Lieder!“

Marina Christiana Bunk 11.8.08

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