Fast normales Musical in Berlin am 27.06.2015

10986911_936365433072795_1790758111768068501_nAm 11.Oktober 2013 feierte das mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Musical „Next to normal – Fast normal“ von Tom Kitt und Brian Yorkey seine deutschsprachige Erstaufführung im Stadttheater Fürth. Es wurde 2009 am Broadway uraufgeführt, für 11 Tony Awards nominiert und gewann schließlich 3 der begehrten Preise. Nach zwei sehr erfolgreichen Spielzeiten in Fürth, erobert die Geschichte über die (fast) normale Familie Goodman jetzt Berlin. Im Renaissance-Theater gibt es das Stück noch bis zum 17. September zu erleben. Wir waren am 27. Juni mit dabei.

Auf den ersten Blick scheint bei Familie Goodman alles ganz normal. Oder zumindest nicht verrückter, als in jeder anderen Familie. Vater Dan, Mutter Diana und die beiden Kinder Natalie und Gabe. Aber so harmonisch und normal ist es dann doch nicht. Zumindest nicht, wenn Mutter Diana auf dem Fußboden Pausenbrote auf Vorrat macht und ihre Antidepressiva vom Staubsauger verschlungen werden. Fast normal eben.

Next to normal ist ein rockiges, emotional aufwühlendes Musical, das den Zuschauer auf eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle mitnimmt. Das Besondere an diesem Stück ist, dass es mitten aus dem Leben gegriffen ist und sicher jeder solche „ganz normalen“ Momente mit der eigenen Familie kennt. Aber was ist schon normal?

Katharine Mehrling spielt in Berlin die Diana sehr überzeugend und auch stimmgewaltig. Eines der Highlights ist ihr Solo „Mir fehl’n die Berge“ im ersten Akt. In der Interaktion mit Felix Martin, der die Rolle des Dr. Fine / Dr. Madden spielt, ist die gute Chemie der beiden deutlich spürbar. Im zweiten Akt steigert Katharine Mehrling sich sowohl darstellerisch als auch gesanglich und kann letztlich auch mit einer Pia Douwes mithalten, die die Rolle in Fürth kreierte.

11180320_937952589580746_7502484325298177451_nFelix Martin brilliert gesanglich und sticht damit positiv hervor. Er spielt sehr überzeugend und der Wechsel vom eher zurückhaltenden Dr. Fine zum Rockstar-Therapeuten Dr. Madden gelingt ihm scheinbar mühelos.

Dan Goodman, verkörpert durch Guntbert Warns, ist der einzige kleine Schwachpunkt dieser insgesamt sehr guten Inszenierung. Obwohl schauspielerisch sehr stark bleibt er gesanglich auffällig hinter dem Ensembles zurück. Dies ist besonders in den gefühlvollen Soli zu spüren. Die Emotionen fehlen. Dadurch bleibt der Charakter des Dan Goodman zu blass und erhält nicht die nötige Tiefe, die er braucht um den Funken beim Zuschauer überspringen zu lassen.

10153816_935607626481909_1230259987015840004_nScheinbar ohne Anstrengung gelingt das Jan-Philipp Rekeszus und Devi-Ananda Dahm (Gabe und Natalie). Die Geschwister Goodman können sowohl im Gesang als auch im Schauspiel leicht mit Katharine Mehrling oder Felix Martin mithalten. Auch Anthony Curtis Kirby, der Natalies Freund Henry spielt, bleibt dem Publikum sehr positiv im Gedächtnis, wobei er eine deutliche Entwicklung vom ersten zum zweiten Akt zeigt.

Das Bühnenbild ist in Form einer großen Treppe angelegt und nutzt die eher kleine Bühne damit optimal aus. Eine Videoleinwand, eingebaut in eine der Treppenstufen, und ausgefeilte Choreographien unterstützen die rockige Musik des Stücks und machen Requisiten fast unnötig.

Fast normal braucht nicht viel um den Zuschauer mitten ins Herz zu treffen. Das Berliner Publikum ist sichtlich mitgerissen. Wenn Diana ihrem Mann verkündet, sie hätten den glücklichsten Staubsauger der Straße hört man Lacher aus dem Zuschauerraum – wenn sie dagegen die Geburtstagtorte für ihren vor 16 Jahren verstorbenen Sohn hereinträgt, herrscht gebanntes Schweigen. In diesen Momenten könnte man im Theatersaal die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören. Das Schicksal der Familie berührt jeden Einzelnen.

Am Ende wird die Leistung der Darsteller mit lange anhaltendem Applaus und begeisterten Zurufen aus dem Zuschauerraum honoriert. Das Stück kommt gut an. Und noch eines ist nach diesem Abend sicher: Fast Normal fällt aus dem Rahmen, geht unter die Haut, und lässt niemanden kalt.

Eben kein ganz normales Musical. Aber eines, dass man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte!

Foto Copyright: Barbara Braun

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