„ChristO – die Rockoper“ – Die Generalprobe und Hintergrundfacts zum Stück

Am 11.4.2008 feiert „Christ0“ seine Premiere im Staatstheater am Gärtnerplatz in München. Hierzu lud die Pressesprecherin, Frau Anke Michaelis, am 8.4. (mit B-Besetzung) und 9.4. (mit A-Besetzung) interessierte Pressefotografen zur Generalprobe ein. Als sich am 9.4.08 kurz nach 19.00 Uhr der Vorhang hob spürte man unter den zahlreichen, auf die Bühne gerichteten Kameras, unermessliche Spannung und Erwartung. Da es sich bei dem Stück um eine Uraufführung handelt, ist diese Einladung einmal mehr etwas ganz Besonderes. Die Generalprobe lief zügig und ohne, so schien es, Fehler und Pannen ab. Das, was, wenn auch meist nur durch die Linse beobachtete, auf der  Bühne geschah gefiel anscheinend, und so verwunderte es nicht, dass ab und an doch – wenn auch leicht verhalten- applaudiert wurde. Das ist wirklich beachtenswert, da dies bei Generalproben nicht unbedingt üblich ist. Vielleicht ist das ein gutes Omen?

Zum Stück: „Christ0“ basiert thematisch angelehnt an den Literaturroman „Der Graf von Monte Christo“ von Alexandre Dumas (3 Musketiere…). Stück sowie Literat dürften wohl so ziemlich Jedem aus unzähligen Verfilmungen seiner Werke bekannt sein. Der weltliterarische Stoff des Buches wird in „Christ0“ als Krimi auf der Bühne umgesetzt. Die zentrale Frage des Stückes ist schnell erkennbar und leicht aufzufassen: Wie entsteht Hass? Wie kann er sich auswirken? Was bewirkt er letztlich- und ist Liebe im Stande ihn zu kontrollieren oder gar zu besiegen?

Die Geschichte beginnt im Inneren eines alten und verrosteten Schiffswrackes, in dem eine düstere und blasse Gestalt einen Dolch aus einer blutüberströmten Leiche zieht. Nach 21 Jahren Einkerkerung ist Edmond Dante frei. Als er begreift, was mit ihm all die Jahre angetan wurde, schwört er Rache an den Menschen, die sich damals gegen ihn verschworen haben und dadurch sein Leben, seine Zukunft und seine große Liebe aus reiner Habgier und Eifersucht zerstörten. Doch: Edmont Dante ist nicht alleine im Wrack, eine weitere Person schleicht sich an Deck herum…. Das Schicksal nimmt seinen Lauf!

Das Staatstheater am Gärtnerplatz in München hat die Progressive Metalband „Vanden Plas“ damit beauftragt, das seit 2006 bestehende Konzeptalbum „Christ0“ in ein/e Musical/Rockoper umzusetzen. Es liefert musikalische und inhaltliche Grundbasis für die Rockoper. „Christ0“ hat sich jedoch seitdem doch entschieden verändert. Es versteht sich von selbst, dass sich der Umfang der Songs immens erweitert hat, nein, es sind weitere richtig gute Songs hinzu komponiert und arrangiert worden. Auch wurden bestehende Songs auf die verschiedenen Charaktere umgeschrieben. Einfach fantastisch! Gerade „January sun“ läßt erahnen, was dies für eine Neuaufarbeitung für Vanden Plas bedeutet haben mag. Nur wer genauer hinhört und sich mit dem bestehenden Album befasst hat, kann diesen Unterschied erfassen. Das Konzeptalbum ist kaum wiederzuerkennen und so hofft man, dass es die Rockoper in der „extended Version“ bald auf CD geben wird. Gerade die emotionalen Balladen runden das Album erheblich ab. Wer Fan der etwas ruhigeren Töne ist, kann sich hier einfach nur gehen lassen.
Wer einen Blick in den Orchestergraben wagte, stellte fest, dass dort kein Orchester, sondern die Band Vanden Plas selbst Platz genommen hat. Auf den ersten Blick mögen sie für den „normalen Theatergänger“ des Gärtnerplatztheaters ungewohnt und vielleicht sogar etwas erschreckend wirken. Stehen doch eher Opern, Operetten nebst älteren Musicals wie „My fair lady“ und andere „gediegenere“ Theaterstücke/-komödien auf dem regulären Spielplan. Hier also entdeckt man lange Haare, einen geflochtenen Bart, unverkennbar echte Metal-Rocker, eben.  … Wären da nicht die edlen schwarzen Anzüge, perfekt gebügelte weiße Hemden und schicke Krawatten, die aus den „jungen Wilden“ einzigartige, ja man kann durchaus sagen, attraktive Models zaubert. Ich kann Zweiflern gleich vorausschicken, in den Anzügen steckt echtes Können, Kunst, Erfolg und Know How… Ja, man denkt bei Rock bzw. Metalrock zwangsweise erst einmal an Metallica, Nightwish, Judas Priest…. Ähnlichkeiten gibt es hier und da, man bemerkt die Einflüsse, was durchaus positiv zu werten ist. Und doch ist Vanden Plas anders- individueller, persönlicher und extravaganter. Trotzdem es teils ins Heavy-Metal geht, es sind immerzu Melodien und Themen in der Musik die selbst für Genrefremde erkennbar ist. Das macht Vanden Plas für mich persönlich zu einer interessanten Kombination, denn nicht immer lassen sich Motive und Melodien aus – egal welchem Musikstil- heraushören. In der Band „Vanden Plas“ sitzen eben echte Musikerprofis. Als Erweiterung von diversen Orchestern hat die Band bereits in Musicals wie „Rocky Horror Picture Show“, „Evita“, „Chess“ oder „Der kleine Horrorladen“ mitgewirkt. Bis zum 29. Juni diesen Jahres ist Andy noch als biblischer Held Daniel in dem Rock Oratorium „Ludus Danielis“, ebenfalls von Vanden Plas geschrieben, in Kaiserslautern zu sehen und hören. Engagements im Bereich Musical bzw. Theater bezeichnet die Band selbst auch als ihr zweites Standbein.

Wie bereits voraus geschickt, es ist nicht der erste Ausflug der Band ins Musicalgenre. Ihr Leadsänger Andy Kuntz hat mit 14 Jahren angefangen zu singen. Seine Karriere als Musicaldarsteller begann er 1990 in Kaiserslautern. In den letzten beiden Jahren hat Kuntz die Rolle des Judas im Musical „Jesus Christ Superstar“ in Augsburg auf der Freilichtbühne verkörpert. Er konnte so den Fankreis um eine, ich umschreibe mal vorsichtig, neuartige Fanklientel, erweitern. Allerdings, was Viele nicht wissen, mit „Jesus“ war Kuntz schon 1993 im Saarländischen Staatstheater in der Rolle des Simon Zealotes vertraut. Nun gut, trotz alldem können „klassische“ Musicalgänger wohl weder mit dem Leadsänger Andy Kuntz noch mit seiner in den 80’er Jahren gegründeten Rockband Vanden Plas viel anfangen. Deshalb hier ein paar Facts zur Band:

Vanden Plas gibt es seit Jahren in konstanter 5-Mann Besetzung. Die Band gliedert sich wie folgt: Leadsänger Andy Kuntz, Bass: Torsten Reichert, Schlagzeug/Percussion: Andreas Lill, Gitarre: Stephan Lill ( Komponist von „Christ0“ und „Ludus Danielis“) und am Keyboard: Günter Werno (musikal. Leitung und Komponist von „Ludus Danielis“). Jedes Bandmitglied hat seit jüngsten Lebensjahren begonnen sein Instrument zu erlernen und zu singen. Noch heute sind sie, wenn es die knappe Zeit zulässt als Musiklehrer in Schulen oder anderen Institutionen tätig, was Beweis genug darüber ist, dass es sich bei ihnen allen um richtige Berufsmusiker handelt.

Die Band hat viele sehr erfolgreiche CDs weltweit veröffentlicht und sehr erfolgreich verkauft. Ihr Fankreis steigt nicht nur aufgrund verstärkter Theaterpräsenz unaufhörlich. Auffällig ist, dass sie auch in den USA, Japan und generell Europa, vor allem Frankreich sehr gefragt sind. Viele wissen gar nicht, es ist die beste und wichtigste Progressive Metal Band Deutschlands. Sie ist eine Stammband bei den angesagtesten Rockevents auf der ganzen Welt (Atlanta, Istanbul, Granada, Paris, London, Stockholm, Oslo, Helsinki, Budapest, Lissabon….). Vanden Plas kommt aus Kaiserslautern, wo sie die ersten Jahre in Clubs aufspielten und verschiedene Demos aufgenommen hat.  Zunächst hieß sie wie die weitbekannte gleichnamige Band „Exodus“, bevor sie sich in „Vanden Plas“ umnannte. „Christ0“ ist nicht ihr erstes Musical. Bereits mit „Abydos“ feierten Kuntz und Vanden Plas 2004 bemerkenswert große Erfolge.

Die Frage ist berechtigt: Wie lässt sich die Musik von „Christ0“ nun wirklich beschreiben? Neben wunderschön gesungenen und arrangierten Solo-Balladen bzw. Duetten und eingängigen Melodien wechseln sich krasse Schlagzeugparts, harte Gitarrensoli und wirklich virtuose Gesangspassagen ab und vereinen sich so am Ende zu einem abgerundeten Stück in dem man Klänge aus Musical, Pop, Rock, Blues und Soul wiederfindet. Dazwischen hört man immer wieder musikalisch komplexe Parts heraus, bei der nicht nur der Keyboarder, Schlagzeuger, Bassist oder Gitarrist beim Spiel mächtig ins Schwitzen kam. Man könnte „Christ0“ als ein monumentales Meisterwerk bezeichnen. Allein der Einsatz des klassischen Chores im Titelsong „Christ0“ zu Anfang der Rockoper, der sich immer wieder in kleinen Sequenzen wiederholt und so das Thema vertieft, nimmt derartig explosive Ausmaße an, man kann nicht anders, man wird gepackt, man muss hinhören und in die Musik eintauchen. Schade, dass er nur in dieser einen Szene zu sehen ist.

Optisch wird man zu Anfang ein wenig an „Wicked-die Hexen von Oz“ erinnert, denn die aufwändigen und prunkvollen bis teils total schräg-schrille Kostüme sind großteils in Grüntönen gehalten. Auch der Abteilung der Maskenbildner sei an dieser Stelle ein großes Lob ausgesprochen, denn die Gesichter sind, gerade, wenn man nahe der Bühne sitzt, deutlichst erkennbar professionell und beeindruckend geschminkt. Es gibt immer etwas zu sehen und hören. Es sollten sich Besucher also nicht abschrecken lassen, wenn sie die Bandbezeichnung „Progressive Metal Band“ hören. Die genaue Erläuterung zu „progressive Metal“ finden Sie im Interview mit Andy Kuntz.

Gesungen wird in Englisch. Über der Bühne wird der Text via Projektoren auf Deutsch eingeblendet. Die Textpassagen sind alle in deutscher Sprache. Nebst Text lassen immer wieder ruhige Songs dem Zuhörer Zeit zum auszuruhen bevor es kurz drauf wieder in rasantes, hervorragend arrangiertes Metal übergeht. „Fire Roses Dance“ ist bestes Beispiel für den rasanten Wechsel… erst zum Träumen, später geht wahrlich der „Punk“ ab. Ein Mittelmaß findet sich dann wiederum in der einschlagenden Melodie von „January Sun“, oder auch in „Somewhere alone in the dark“, das unterstrichen mit tollen schweren Gitarren und fast provokativem Schlagzeug ausklingt. In Christ0 ist also für Jeden was dabei. Weiter wirft die Bühne auch so einiges Ansehnliches ab. Es wird nicht zuviel und nicht zuwenig an Requisiten aufgefahren, kein Schnickschnack, kein Kitsch findet seinen Einsatz. Gezielt, sinnvoll eingesetzt, einfach passend, so lässt sich kurz das Bühnenbild beschreiben. Kühl, mystisch und doch irgendwie wirklich beeindruckend unterstreicht sie die Musik und den Inhalt des Stückes. Es ist sozusagen ein perfekter Mittelweg, auffallend genug nicht penetrant. Im Mittelpunkt glänzen stets die Akteure mit ihrer Stimme und ihrer Darstellung. Wenn auch für „normale“ und „gelegentliche“ Musicalkenner weniger große Namen in den Nebenrollen und im Ensemble zu lesen sind, es lässt sicherlich die Besucher erstaunen, welche andere tolle Stimmen noch so in deutschen Landen auf der Bühne stehen. Die Darsteller werden durch Effekte mit Licht, Nebel oder echtem Feuer hervorragend in Szene gesetzt. Dies lässt simpel die richtige Stimmung aufkommen, die der Zuschauer auch tatsächlich spüren sollte.
Die bekannteste Persönlichkeit darf an dieser Stelle nicht vergessen werden- Profi-Musicalstar Chris Murray. Er spielt und verkörpert Kuntz’ Kontrahenten, Inspector X. Gerade Musicalkenner wissen, Murray, gebürtiger Braunschweiger und US Amerikaner, verfügt über eine Engagementliste die, um nur Einige zu nennen, vom Phantom der Oper, Jekyll & Hyde, Les Miserables, Jesus Christ Superstar, Der Glöckner von Notre Dame, Die Schöne und das Biest, … hin reicht. Er komplettiert das Duo Kuntz-Murray stimmlich sowie schauspielerisch. Unterschiedlicher, charakterlich sowie farblich könnten die Stimmen der beiden nicht sein und doch harmonieren sie auf magische Weise nahezu perfekt. Das ist ein weiterer unbeschreiblicher Reiz, den das Genre Musical bietet. Hier verbindet sich so Einiges, denn hier ist Nichts unmöglich. Aber nicht nur, dass Murray das Duo komplettiert, er vervollkommnet sozusagen die gesamte Christ0-Cast und verleiht der Inszenierung Musical-Promi-Status. Das „Zugpferd“ Murray teilt sich diese Rolle hier gleichberechtigt mit Vanden Plas und deren Leadsänger Andy Kuntz.
Man darf gespannt sein, ob sich die Show nach Generalprobe noch stark verändern wird. Am Rande sei bemerkt, es gibt ein erfreuliches Wiedersehen, denn es werden zwei ehemalige Darsteller der Augsburger JCS Aufführung in „Christ0“ dabei sein. So wird Thomas Peters (ehem. Jesus nun Danglars) sowie auch Sven Fliege (ehem. Simon Zealotes nun Albert Mondego) mit von der Partie sein. Stehen die drei Darsteller auf der Bühne, erinnert es durchaus an Augsburger Zeiten. Hierzu ist zu sagen, dass die Bühnenoptik durch das Gerüst, eine Brücke mit drei Säulen, an denen auch diesmal Andy Kuntz auf- und abklettert, schwer an die Freilichtbühne erinnert. Auch der lange Mantel und die offenen langen Haare erinnern (mit einem nettgemeinten Schmunzeln des Zuschauers) beim Anblick von Kuntz an „Judaszeiten“.

Zum Schluss ist zu sagen, auch wenn man Metal (oft berechtigterweise) schnell mit reibeisigem Geschrei und heiserem Geröhre, sowie flirrenden Stimmbändern assoziiert wird, das Ganze dann gekoppelt mit lauten Schlagzeughämmern und Gitarrenseitenzerren…. Vanden Plas ist ganz anders. Man muss die Band nicht im Orchestergraben sitzen sehen um herauszuhören, dass hier Musiker sitzen, die ihr Handwerk beherrschen und nicht unberechtigt seit zwei Jahrzehnten die führende prog Metalband Deutschlands sind. Ihr Leadsänger Andy Kuntz verfügt neben seiner ausdrucksstarken und packend-emotionalen Stimme über ein hohes Maß an Gespür fürs Schauspiel. Mit seiner unverwechselbaren und prägnanten Stimme überzeugt er von den ersten Tönen an. Seine Stimme hat absoluten Wiedererkennungswert, somit vermittelt er gekonnt, was er darstellt, – und dies glaubhaft. Kuntz lebt in seinen Texten und Kompositionen. Zweifellos!

Man darf der Band, der gesamten Produktion und natürlich dem Theater wirklich nur wünschen, dass sich die Erwartungen in jeder Hinsicht erfüllen und der Grundgedanke das jüngere Publikum fürs Theater zu begeistern erfüllt wird. Termine für „Christ0“, sowie weitere Infos über das Stück selbst, das Theater oder der Band können unter folgenden Homepages eingesehen werden.
www.staatstheater-am-gaertnerplatz.de

www.vandenplas.de

www.chris-murray.com

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